Rezensionen Öffentliches Recht

Ax/Schneider/Siewert, Auftragsvergabe, 2. Auflage, ESV, 2010

 

Der Ax/Schneider hat eine neue Mitstreiterin hinzugewonnen und heißt jetzt Ax/Schneider/Siewert. Er bringt den geneigten Leser auf den neuesten Stand in Sachen Vergaberecht. Dies bedeutet, es wurde insbesondere das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, sowie die seit 11.06. 2010 in Kraft getretene novellierte Vergabeverordnung eingearbeitet. Letztere hat vor allem mit der Neueinführung der §§101a und 101b GWB der bisher möglichen de-facto-Vergabe prinzipiell einen Riegel vorgeschoben. Auf knapp 70 von gut 350 Seiten (ohne Anhang) widmet sich das Buch zudem recht ausführlich der seit 29.09.2009 in Kraft getretenen Sektorenverordnung. Diese gilt für Auftragsvergaben in den Bereichen Verkehr, Trinkwasserversorgung und Energieversorgung und hat die bisherigen Abschnitte 3 und 4 der VOB/A und VOL/A ersetzt. Neben den gesetzlichen Änderungen und Neuerungen wurde selbstverständlich auch die Rechtsprechung, vor allem die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs, auf den aktuellen Stand gebracht.

 

Konzeptionell gibt es zur Vorauflage keine Änderungen. Das Buch ist übersichtlich in lediglich vier Kapitel untergliedert. Diese behandeln sehr anschaulich die „Vergaben ganz ohne Vergaberecht“, „Vergaben mit weniger Vergaberecht“, die „Aufhebung der Ausschreibung“ und schließlich die „Sanktionen bei Missachtung von bestehenden vergaberechtlichen Maßgaben“. Dabei beginnt das Werk mit einem lesenswerten und höchst informativen Überblick über das neue Vergaberecht. Von Anfang an bedient sich das Buch, neben der direkten Sprache, aktueller Beispiele aus der gelebten Praxis der Vergabe. Die Praxisbeispiele sind lebensnah und lehrreich. Besonders hervorzuheben ist die überaus gut gelungene Aufbereitung von Urteilen. Der sachliche Kontext, in dem sie ergangen sind und ihre Auswirkungen auf die Praxis der Vergabe werden hervorragend und stets nachvollziehbar erörtert.

 

Es handelt sich bei dem Werk nicht um ein Lehrbuch für studentische Zwecke und erfordert vertiefte Kenntnisse auf diesem Rechtsgebiet. Die Verfasser wenden sich an alle, die in der täglichen Praxis mit Vergabe und Ausschreibungen zu tun haben, insbesondere an die öffentlichen Auftraggeber selbst. Diesen gibt das Buch nützliche Hilfestellungen dahin, wie eine Vergabe unter den neuen gesetzlichen Bedingungen laufen kann und welche Spielräume sich eröffnen lassen. Das Buch bietet nützliche, optisch abgesetzte Praxistipps und Arbeitshinweise, sowie einen Anhang mit über 20 Mustervorlagen. Abgerundet wird das Ganze durch ein sehr aufgeräumtes, schlichtes Stichwortverzeichnis ohne nervige Querverweise.

 

Das Buch ist hochinformativ, instruktiv und durchweg gut geschrieben. Die Inhalte sind anspruchsvoll und können buchstäblich bares Geld wert sein. Das Werk kann uneingeschränkt empfohlen werden und genießt zurecht einen guten Ruf. Mit seinen 52,80 EUR ist es zwar nicht ganz billig, aber das Geld ist hier gut angelegt. Daumen hoch.

 

01.12.2010

 

 

Becker/Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII – Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, Nomos, 2011

 

Die Neuauflage des Lehr- und Praxiskommentars zum SGB VII aus dem Hause Nomos erscheint gerade rechtzeitig. Das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) ist im wesentlichen in zwei Teilakten zu Beginn des Jahres 2009 und nachfolgend zu Beginn des Jahres 2010 in Kraft getretenen. Es hat umfangreiche Änderungen mit sich gebracht und um so dankbarer ist man für einen zuverlässigen Wegweiser wie den vorliegenden.

 

Die Änderungen sämtlich an dieser Stelle aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Als groben Überblick kann man jedoch folgende Neuerungen des UVMG anführen: ein Hauptziel des Gesetzgebers war es, die „Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie – GDA“ auf den Weg zu bringen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine engere Verzahnung der staatlichen Aufsichtsbehörden und den Präventionsdiensten der Unfallversicherer. Als Ziele hat man sich hierbei gesteckt, Zahl und Schwere von Arbeitsunfällen und berufsbedingten Hauterkrankungen, sowie berufsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen zu verringern. Strukturell gibt es einige Änderungen. So wird das Insolvenzgeld künftig von den Krankenkassen eingezogen. Die Zahl der Unfallversicherungsträger ist deutlich reduziert worden, wodurch es zu Neugruppierungen und Änderungen in den Gefahrtarifen mit direkter Auswirkung auf die Beiträge gekommen ist. Es wurde zudem unter dem etwas verqueren Schlagwort Überaltlastausgleich ein nicht ganz unkomplizierter Solidaritätsfonds eingerichtet. Es wurde ein neues Meldeverfahren eingeführt, das bei den Arbeitgebern zu einem etwas höheren administrativen Aufwand führen dürfte. Das Leistungsrecht des SGB VII, also das, was den Betroffenen im Falle des Falles am meisten interessiert, ist unangetastet geblieben und hat somit an der Reform nicht partizipiert.

 

In Kraft ist seit Sommer letzten Jahres auch die Zweite Änderungsverordnung  zur Berufskrankheitenverordnung. Mit dieser sind fünf neue Krankheiten in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden. Zusätzlich wurde der sog. „Bergmannsbronchitis“ (Nr. 4111) die rückwirkende Anerkennung zugesprochen, auch für Fälle vor 1993.

 

Bei so vielen gewichtigen Änderungen ist es für den Anwender von immenser Bedeutung, schnell und zuverlässig Orientierung und Hilfestellung zu erfahren. Genau das leistet der LPK in gewohnt praxistauglich komprimierter Darstellung. Hohe Zugriffsgeschwindigkeit, gepaart mit höchster Kompetenz. Verständnisfördernd und sehr hilfreich sind die zahlreichen Beispielsberechnungen, sei es zum Jahresarbeitsverdienst, sei es zu Renten. Der erste Griff geht stets zum LPK. Ein sehr gelungener Beitrag, der allen Praktikern ans Herz gelegt sei.

 

20.12.2010

 

 

Conradis, Sozialrechtliche Folgen von Trennung und Scheidung, 2. Auflage, Erich Schmidt Verlag 2009

 

Das Buch von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht Dr. Wolfgang Conradis ist eine Bereicherung zu einem Thema von enormer praktischer Bedeutung. Es stellt die wichtigen Schnittstellen und Verzahnungen zwischen Familienrecht und Sozialrecht übersichtlich dar und bietet jedem, der beratend auf diesem Sektor tätig wird, eine hervorragende Hilfestellung.

 

Die Trennung vom langjährigen Partner stellt für die Betroffenen in der Regel eine emotionale Ausnahmesituation dar. Die Frage nach dem Versicherungsschutz in der Krankenversicherung oder die Höhe einer Rentenanwartschaft nach dem anderen Ehegatten spielen da – zumindest anfangs – für die meisten keine Rolle. Doch sind diese Fragen von überragender Bedeutung. Guter Rat in solchen Situationen ist wertvoll. Zum Glück kann sich der Rechtsanwender auf ein Buch wie das vorliegende verlassen. Es befähigt zur schnellen und treffsicheren Beratung. Das Buch ist jedem dringend zu empfehlen, der familienrechtliche Mandate bearbeitet, insbesondere als Rechtsanwalt. Die Haftungsfallen wegen falscher oder gar unterbliebener Beratung auf die sozialrechtlichen Folgen einer Trennung oder Scheidung sind nicht zu unterschätzen. Der Mandant wird sich schön bedanken, wenn ihm der Krankenversicherungsschutz verloren geht oder er bares Geld im Rahmen der Unterhaltsberechnung oder der Beantragung von Sozialleistungen verliert. Wer seinen Mandanten jedoch auch bei solchen „Nebenkriegsschauplätzen“ umfassend informiert, erfüllt nicht nur seine Berufspflichten, sondern darf auch auf zufriedene Klienten und Folgemandate hoffen. Dabei richtet sich das Buch nicht ausschließlich an Anwälte, sondern an jeden, der familienrechtlich beraten muss, etwa Betreuer, Behördenmitarbeiter oder auch Richter.

 

Aufbautechnisch beginnt das Buch mit einer praxisorientierten Einführung zum sozialrechtlichen Beratungsbedarf in Familiensachen. Danach folgt eine Darstellung der Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf die einzelnen Sozialversicherungsbereiche. Das Buch umfasst nicht nur die klassischen Zweige der Sozialversicherung, sondern die ebenso bedeutsamen Auswirkungen auf die Grundsicherungsleistungen des SGB II und der Sozialhilfe. Es beinhaltet zudem die Auswirkungen auf den Kindergeldbezug und behandelt die praktisch bedeutsamen Abzweigungen ebenso, wie den Unterhaltsvorschuss und das Wohngeld. Wo erforderlich, wird auf die Unterschiede zu Lebenspartnerschaften und eheähnlichen Lebensgemeinschaften eingegangen. Der letzte Teil des Buchs widmet sich schließlich in gebotener Kürze einigen Besonderheiten im Verfahrensrecht. Selbstverständlich ist das Buch auf dem aktuellen Stand der Gesetzgebung und beinhaltet die durch Inkrafttreten des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs und des FGG-Reformgesetz eingetretenen Änderungen.

 

Im Anhang bietet das Buch eine wertvolle Checkliste bezüglich der wichtigsten Folgen, die Trennung und Scheidung mit sich bringen, die man bei jedem Beratungsgespräch einfach abarbeiten kann. Da kann nichts mehr schief gehen. Für alle Nicht-Sozialrechtler sind alle relevanten Gesetzesvorschriften, sozialrechtliche Rechen- und Bezugsgrößen sowie Regelsätze im Anhang abgedruckt.  Der Anwender kann also mit dem Buch in der Hand sofort loslegen. Das Buch ist unbedingt, auch für Referendare und Berufseinsteiger, sehr empfehlenswert. Auch ein „alter Hase“ kann hier aber noch was lernen. Durchweg praxistauglich.

 

07.12.2009

 

 

Deinert/Neumann, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 2. Auflage, Nomos 2009

 

Mit einigen Änderungen im Autorenteam setzt sich das Werk auch in seiner zweiten Auflage in über 760 Seiten sehr ausführlich mit dem Schwerbehindertenrecht auseinander, natürlich unter Berücksichtigung der seit der Erstauflage eingetretenen Gesetzesänderungen.

 

Der Schwerpunkt des Werks liegt eindeutig im materiellen Recht, d.h. dem SGB IX und seinen Bezügen zu den anderen Sozialgesetzbüchern. Von besonderer Relevanz ist hier vor allem das Zusammenspiel mit dem Krankenversicherungsrecht für den Bereich der Leistungserbringung zur medizinischen Rehabilitation sowie mit dem SGB III bezüglich der Teilhabe am Arbeitsleben. Dabei eröffnet das Buch zunächst sehr grundlegend mit einem historischen Abriss, sowie den verfassungs- und europarechtlichen Bezügen und zeigt damit einen klassischen Aufbau.  Sodann werden nach und nach die einzelnen Leistungen zur Teilhabe und Rehabilitation vorgestellt. Den mit weit über 200 Seiten umfangreichsten Anteil des Werks nimmt der äußerst praxisrelevante Themenkomplex der arbeitsrechtlichen Bezüge des Schwerbehindertenrechts ein. Als Stichworte seien hier beispielsweise genannt das Benachteiligungsverbot, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Zusatzurlaub und vor allem der Kündigungsschutz, sowie die Rolle des Integrationsamtes. Ein gesondertes Kapitel ist den Werkstätten für behinderte Menschen gewidmet. Das Werk befasst sich so mit allen relevanten Aspekten des Teilhaberechts auf sehr hohem Niveau.

 

Leider etwas zu kurz kommt das für die alltägliche Praxis von Anwälten und Gerichten immens bedeutsame Feststellungsverfahren nach §69 SGB IX. Von dieser grundsätzlichen Feststellung hängt der Status als Schwerbehinderter und die damit einhergehenden Rechtsvorteile ab. Es ist die zentrale Frage, welche die Sozialgerichte und Versorgungsämter bundesweit beschäftigt. Auch das Verwaltungsverfahren und der Rechtsschutz werden, im letzten Kapitel, nur in gebotener Kürze vorgestellt. Es ist kein ausgesprochenes Praktikerbuch, das mit taktischen Tipps oder Schriftsatzmustern aufwartet. Abgesehen von dem Kapitel über den Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen, ist das Buch für die forensische Tätigkeit nur indirekt und zeitverzögert, nämlich über den grundlegenden Wissenszuwachs, den es vermittelt, nutzbar zu machen.

 

Insgesamt ist es ein detailreiches, sehr grundlegendes, zuweilen auch theoretisches Werk. Es erfordert eine zeitintensive Lektüre und sozialrechtliche Vorkenntnisse. Ein Buch, zu dem man nicht mal eben greift, um einen Schnelleinstieg zu finden. Für Studierende oder Referendare ist es daher nur eingeschränkt empfehlenswert. Wer allerdings die Zeit und Muse hat und sich ohnehin langfristig mit dem Schwerbehindertenrecht befassen möchte, etwa als Fachanwalt, der kann hier äußerst fundiert und mit Tiefgang in die Rechtsmaterie einsteigen bzw. seine Kenntnisse vertiefen.

 

04.11.2009

 

 

Eichenhofer/Janda, Klausurenkurs im Sozialrecht, 7. Auflage, C.F. Müller 2010

 

Prof. Dr. Dr. Eberhard Eichenhofer und Dr. Constanze Janda, beide an der Friedrich-Schiller Universität Jena beheimatet, legen in neuer Auflage ihr hervorragendes Fallbuch zum Sozialrecht vor. Es handelt sich um einen Klausurenkurs mit insgesamt 25 Fällen. Diese gliedern sich wie folgt: Fälle 1 und 2 widmen sich der verfassungsrechtlichen Stellung des Sozialrechts, Fälle 3 bis 6 dem Beitragsrecht, Fälle 7 bis 10 den allgemeinen Lehren und dem Sozialverwaltungsverfahren, Fälle 11 bis 16 den Teilgebieten GRV, GKV und GUV, Fälle 17 bis 20 dem Entschädigungsrecht, Familienförderung/Familienlastenausgleich, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, Fälle 21 und 22 befassen sich mit der Sozialhilfe, 23 und 24 mit dem Europäischen Sozialrecht und der letzte Fall schließlich wendet sich dem Vertragsarztrecht zu.

 

Der letzte Fall ist – aus Anwaltssicht bedauerlicherweise - leider der einzige Fall, der sich mit Rechtsberatung und Vertragsgestaltung befasst. Aber dies ist der herrschenden universitären Prüfungsrelevanz geschuldet, die noch immer eine der wichtigsten Formen juristischer Betätigung, nämlich die anwaltliche Beratung, nicht ausreichend gewichtet. Das Buch beinhaltet ansonsten den kompletten Prüfungskanon, den ein Student, gerade im Schwerpunktfach, beherrschen können muss. Sei es die Anwaltsklausur, die Richterklausur oder die Leistungsträgerklausur. Auch wenn das Sozialverwaltungsverfahren wahrhaftig nicht zu kurz kommt und auch der eine oder andere prozessuale Anstoß gemacht wird, so setzen die Verfasser den Schwerpunkt der Fallsammlung definitiv im materiellen Recht der einzelnen Teilgebiete. Und das ist genau richtig, denn das ist es, was vorrangig geprüft wird. Besonders gelungen ist die Darstellung der zahlreichen Schnittstellen, die das Sozialrecht zu anderen Rechtsgebieten aufweist, sei es zum Arbeits- oder Familienrecht, dem Deliktsrecht, dem Strafrecht und sogar dem Steuerrecht. Die Auswahl der Fälle kann nur als absolut hochwertig bezeichnet werden und ist bestens geeignet, um die Interaktion des Sozialrechts aufzuzeigen. Hierbei muss den beiden Autoren wirklich besondere Sorgfalt attestiert werden. Sie zeigen dem Studenten sogleich die vielfältigen Verzweigungen des Sozialrechts, das unser aller Leben in der Republik auf die eine oder andere Weise durchdringt, und fördern somit das für die spätere Praxis so wichtige Problembewusstsein.

 

Die Fälle sind allesamt qualitativ sehr hochwertig und überaus aktuell. Als Beispiele seien an dieser Stelle nur etwa genannt die Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze des SGB II oder der Anspruch auf Sozialhilfe für geduldete Ausländer. Eine Fallsammlung quasi am Puls der Zeit und weit entfernt von den üblichen „Schulbeispielen“. Die Fälle sind wichtigen und auch grundlegenden Entscheidungen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung entnommen und bilden einen Streifzug durch brisante, und dadurch auch klausurrelevante Konstellationen, mit denen man als Student rechnen muss.

 

Der Inhalt wird auf das wesentliche reduziert dargestellt, d.h. die 25 Fälle werden einfach nur mit Sachverhalt, knapper Gliederung und im Gutachtenstil ausgefertigter Lösungsskizzen aufbereitet. Auf weitere Darstellungen und Erläuterungen außerhalb der Lösungsskizzen wird verzichtet. Hier wird nicht getextet, es wird geübt. Eine stichwortartige Inhaltsangabe des jeweiligen Falles und die Fundstellen der zugrunde liegenden Originalurteile, sowie vertiefende Fußnoten sind die einzigen Beigaben. Mehr braucht es nicht. Ein anspruchsvolles und sehr gelungenes Übungsbuch, mit dem man viel lernen und sich optimal auf die Klausur vorbereiten kann. Für Schwerpunkt-Studenten sehr zu empfehlen.

 

05.10.2010

 

 

Eichenhofer/Wenner, SGB VII Kommentar, 1. Auflage, Luchterhand, 2010

 

Der neueste Streich aus dem Hause Luchterhand ersetzt den bisherigen als Loseblattsammlung erscheinenden Kommentar von Wannagat. Dieser wird nunmehr ausschließlich als gebundenes Werk verlegt. Dafür gibt es gute Gründe. Herausgeber und Verlag haben auf die stetig sinkende Nachfrage nach der Loseblattsammlung reagiert. Diese Form der Veröffentlichung scheint vom Markt nicht mehr angenommen zu werden. Loseblattsammlung bedeutet laufende Kosten für die Ergänzungslieferungen, sowie teure Arbeitszeit zum Einsortieren. Im Vorwort macht man sich hierzu schlaue Gedanken, die man sich anderswo sicherlich auch gemacht hat. Selbst den Schönfelder kann man mittlerweile gebunden erstehen. Jedes Jahr ein neues Standardwerk kaufen war hier schon immer günstiger als die Ergänzungslieferungen nachzubeziehen. Das Internet tut ein übriges dazu, Ergänzungslieferungen generell überflüssig zu machen. Es kann vermutet werden, dass andere Verlage nachziehen und sich von dem möglichen Auslaufmodell verabschieden werden.

 

Die vorliegende Ausgabe zum SGB VII macht den Auftakt zu einem aus vier Teilen geplanten Gesamtwerk zum Sozialversicherungsrecht. Kommentare zum SGB V und VI sollen folgen, ebenso ein Band zum Verfahrensrecht der SBG I, IV und X. Ein überschaubares, vierköpfiges Autorenteam widmet sich auf etwas mehr als 1.000 Seiten dem Gesetzlichen Unfallversicherungsrecht des SGB VII. Das Niveau besticht. Der Kommentar zeichnet sich durch hohes Detailreichtum aus und bietet dem Anwender einen breiten Fundus an Hintergrundinformationen. Aber auch da wo es konkret um den praktischen Fall geht, wie etwa im Bereich des Wegeunfalls oder der Berufskrankheiten, bietet das Werk zuverlässigen Halt, Argumentationshilfen und harte (gerichtliche) Fakten. Die Kommentatoren orientieren sich streng an der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Gleichzeitig ist dem wissenschaftlichen Diskurs Raum eröffnet. Dies allerdings nicht lehrbuchhaft, sondern mit Blick auf die Praxis, und nur da, wo es darauf ankommt, wie z.B. im Rahmen des §104 SGB VII (Versicherungsfall und Personenschaden). Die Kommentierung ist sehr ausführlich, so wie man es von der Loseblattsammlung gewohnt ist. Ein Qualitätsverlust geht mit der gebundenen Ausgabe keineswegs einher. Traditionalisten können also aufatmen.

 

Rein optisch gefällt die Aufmachung ebenfalls. Keine drucktechnischen Sperenzchen, sehr aufgeräumte Fußnoten. Die Gliederung ist schlicht und einfach gehalten. Nach dem Text der Norm folgt eine kurze Inhaltsübersicht. Der Fließtext ist stets gleich aufgebaut: Inhalt der Vorschrift, Entstehungsgeschichte, Erläuterung. Alles an seinem Ort, leicht zugänglich. Das gilt auch für das Stichwortverzeichnis. Natürlich berücksichtigt das Werk das in zwei Teilakten in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG) mit dessen weitreichenden Veränderungen, sowie die Zweite Änderungsverordnung zur Berufskrankheitenverordnung und ist somit topaktuell. Den Anstrengungen der Autoren und des Verlags für diese wirklich gelungene Umsetzung kann nur Respekt gezollt werden. Durch die Buchausgabe wird sich das Werk sicherlich neue Käuferkreise erschließen, vor allem solche, die bisher durch die Darstellungsform als Loseblattsammlung eher abgeschreckt wurden. Verdient hätten es die Beteiligten. Fachanwälte, Gerichte und Behörden finden einen zuverlässigen Ratgeber.

 

21.12.2010

 

 

Fetzer/Arndt, Einführung in das
Steuerrecht, 4. Aufl., C.F. Müller 2012

 

Der schmale Band erscheint in der bekannten Reihe Start ins Rechtsgebiet aus dem Hause C.F. Müller in immerhin schon vierter Auflage. Das kleine Buch wendet sich in erster Linie an Studierende der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaft, die einen ersten und schnellen Einstieg in das hochkomplizierte deutsche Steuerrecht suchen. Es ist eine reine Einstiegslektüre, Vertiefungen sind nicht
vorgesehen und konzeptionell nicht gewollt, denn das würde dem Zweck der Schrift zuwiderlaufen.

 

Auf gut 140 Seiten bieten die Autoren einen gut sortierten (ersten) Überblick über die Grundzüge des aktuellen Steuerrechts. Dargestellt wird nur der Status Quo (und was will man als Student, der Steuerrecht vielleicht noch nicht einmal im Hauptfach hat, anderes überhaupt wissen?), orientiert ausschließlich an der (nur karg zitierten) Rechtsprechung. Kurz, knapp, auf den Punkt gebracht: keine vertiefenden Literaturhinweise, keine Theorienstreitigkeiten, keine Fußnoten, keine Lehrbuchpassagen, keine Übersichten, keine Fallbeispiele, einfach nur: das ist es, so geht’s. Oder, wie es die Autoren im Vorwort selbst treffend vorausschicken: „Wer den Inhalt
dieses Grundrisses in etwa beherrscht, ist weit davon entfernt, ein
„Steuerrechtler“ zu sein. Er hat aber einen ersten Schritt in die – hoffentlich – richtige Richtung unternommen
.“ Treffender kann man Konzeption, Zielrichtung und Inhalt kaum beschreiben. Dies sollte man unbedingt wissen, wenn man zu diesem Buch greift (was im übrigen so ziemlich für die gesamte Reihe Start ins Rechtsgebiet gilt). Dies vorausgesetzt, erfüllt das Buch aber seinen Zweck  vollumfänglich und ist für Einsteiger und Erstkontaktler zur Materie wirklich empfehlenswert.

 

Gegliedert ist das Ganze in drei Teile. Der erste Teil befasst sich mit den allgemeinen Grundlagen und Grundbegrifflichkeiten des Steuerrechts. Ein kleiner historischer Abriss ist mit enthalten. Der zweite Teil stellt das allgemeine Steuerrecht vor, d.h. befasst sich mit der Steuerhoheit, der Steuergerichtsbarkeit und vor allem dem Steuerverfahrensrecht. Hier geht es um die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und die Ermittlung und Festsetzung der Steuer allgemein. Auch die Vollstreckung und das Steuerstrafrecht werden hier knapp erläutert. Der dritte Teil stellt schließlich die einzelnen Steuerarten Personensteuern, Körperschaftssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Kirchensteuer, Objekt- und Verkehrssteuern detaillierter vor.

 

Das ist gut gemacht, komprimiert und übersichtlich. Eine reine Einstiegslektüre, bewusst unterhalb des Niveaus eines Lehrbuchs angesiedelt, für alle, die nicht mehr benötigen oder den ersten Schritt für mehr tun möchten.

 

06.03.2012

 

 

Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage, Nomos 2010

 

Die Vorauflage zu diesem Werk erschien bereits 2005 und es war eigentlich nicht geplant, dass der Nachfolger so lange auf sich warten lassen sollte. Dies liegt darin begründet, dass die Wanderarbeitnehmer-Verordnung (EG) Nr. 883/04, die 2005 bereits seit einem Jahr in der Welt war, schlicht und ergreifend nicht zum Leben erweckt werden konnte: die dazugehörige Durchführungsverordnung wurde einfach nicht verabschiedet. Nun ist es endlich soweit: mit der Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 987/09 tritt die VO (EG) Nr. 883/04 mit einigen Jahren Verzögerung in Kraft und ersetzt die bis dahin das europäische Sozialrecht koordinierende VO (EWG) Nr. 1408/71. Daher auch jetzt erst die Neuauflage.

 

Ist aber nicht so tragisch, denn so konnten zugleich die neuen rechtlichen Grundlagen des europäischen Rechts  eingearbeitet werden, sprich der seit 01.12.2009 geltende Vertrag von Lissabon (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union  - AEUV). Und was lange währt, wird endlich gut – hier stimmt es jedenfalls. Die gut 30 Seiten umfassende, grundlegende Einführung ist zum Einstieg empfehlenswert. Einführungen und Vorworte werden in Fachbüchern und auch einfachen Gesetzestextsammlungen gerade von Studenten viel zu selten gelesen, ja richtig stiefmütterlich behandelt. Angesichts der Menge an Informationen, die man hier geliefert bekommt, eigentlich sträflich.

 

Gegenstand der nachfolgenden, in zwölf Teile gegliederten Kommentierung, sind insbesondere die Art. 45-48 AEUV, d.h. die Freizügigkeit und - als Kernstück - die 91 Artikel umfassende, bereits erwähnte Verordnung (EG) Nr. 883/04 inklusive der Durchführungsverordnung. Die Kommentierung selbst ist sehr ausführlich und auf höchstem Niveau. Man darf wohl mit Recht behaupten, dass es zu diesem Kommentar in der Literaturlandschaft keine Alternative gibt. Die Verfasser gehen intensiv auf die Problemstellungen ein und tragen die herrschende Lehre und Rechtsprechung des EuGH übersichtlich zusammen. Das Buch bietet aber weit mehr als das, es ist kein bloßes Nachschlagewerk. Die Autoren geben Argumentationshilfen und unterstützen den Rechtsanwender in seiner Praxis. Wo es eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht gibt, werden dennoch Wege, Tendenzen und Richtungen aufgezeigt. Etwa bei der aktuell sehr heiß diskutierten Frage, ob Sozialversicherungsträger „öffentliche Auftraggeber“ sind und somit dem EU-Vergaberecht unterfallen (was der EuGH für die gesetzlichen Krankenkassen der BRD bereits bejaht hat). Optisch besticht das Buch durch seine Schlichtheit – man hätte den sehr komplexen Inhalt durch drucktechnische Wirrungen noch komplizierter und unübersichtlicher gestalten können, wofür man sich zum Glück nicht entschieden hat. Einfache Randnummern machen ihre Sache gut.

 

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Buchs stellt die hochinformative Kommentierung der Art. 19 und 157 AEUV dar, in welchen die Koordinierung des Gleichbehandlungsrechts im Sozialrecht niedergelegt sind. Hierbei ist nicht wie bisher lediglich die Gleichbehandlung der Geschlechter vorgesehen, sondern es wurde ein umfassender Antidiskriminierungsschutz installiert (Geschlecht, Rasse, Religion, Weltanschauung, Herkunft, Behinderung, Alter, sexuelle Ausrichtung).

 

Mit einigen Drittstaaten bestehen sog. Assoziationsabkommen oder Sozialversicherungsabkommen. Diesen ist der vorletzte Teil des Buchs gewidmet, bevor sich der zwölfte und letzte Teil mit den Fragen des Rechtsschutzes beschäftigt. Letzteres folgt den allgemeinen Rechtsinstanzen der EU-Verträge, d.h. es gibt keinen „Europäischen Sozialgerichtshof“, auf eine Fachgerichtsbarkeit wurde also verzichtet. Dieses letzte Kapitel befasst sich auch knapp mit den Haftungsfragen bei Verletzungen des EU-Rechts durch einen Mitgliedsstaat und dem Entschädigungsrecht.

 

Fundierter als in diesem Kommentar kann man sich über das europäische Sozialrecht nicht informieren.

 

19.07.2010

 

 

Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, 4. Auflage, C.H. Beck 2009

 

Das Buch erscheint mittlerweile in der vierten Auflage in der NJW Praxis-Reihe und richtet sich vorrangig an Studierende und Referendare, ist aber für jeden geeignet, der sich mit Vergaberecht vertraut machen möchte. Der Autor hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt – das äußerst komplizierte öffentliche Vergaberecht in schmalen 200 Seiten darzustellen und verständlich zu machen. Und was soll man sagen? Es ist gelungen. Man sollte aber auch ein ambitionierter Leser sein.

 

„Sektorenauftraggeber“, „Kaskadenprinzip“, „Schwellenwerte“ - Wer sich ernsthaft mit dem Vergaberecht beschäftigen will (oder muss), dem bietet das Buch einen fundierten Einstieg in die relevanten Grundzüge und Problemkreise. Das Werk selbst gliedert sich in vier Teile. Zunächst werden ausführlich die Grundstrukturen des Vergaberechts erklärt und im zweiten Teil sodann die einzelnen Vergabearten und Phasen der öffentlichen Ausschreibung durchleuchtet. Es schließen sich zwei weitere Teile zum Thema Rechtsschutzmöglichkeiten an. Erwähnens- und lobenswert (weil in juristischen Fachbüchern nicht oft anzutreffen) ist übrigens bereits an dieser Stelle, dass das Stichwortverzeichnis ohne jeglichen Querverweis auskommt. Der gesuchte Begriff steht exakt an der Stelle, an der man ihn als Anwender auch sucht und erwartet.

 

Das Vergaberecht ist eine Grenzmaterie zwischen öffentlichem und privaten Recht und hat sich zu einem bedeutenden, eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt, dessen Auswirkung und Tragweite in der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen werden. Der Vertragsschluss zwischen öffentlichem Auftraggeber und privatem Unternehmer ist privatrechtlicher Natur, während die Vertragsanbahnung selbst – das Vergaberecht – öffentlichrechtlich ausgestaltet ist. Das Vergaberecht ist zudem ganz erheblich durch seine europarechtliche Durchdringung und die Rechtsprechung des EuGH geprägt. Dem Autor gelingt es jedoch durchweg, die schwierige Materie an den Mann zu bringen. Die beherrschenden Prinzipien der Vergabe, wie Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Hand, die Geeignetheit der Bieter und der diskriminierungsfreie Wettbewerb, werden auf hohem Niveau dennoch gut nachvollziehbar dargestellt. Verständlich herausgearbeitet ist die für die Rechtsschutzmöglichkeiten elementare Unterscheidung zwischen kartellrechtlichem und haushaltsrechtlichem Vergaberecht, sowie die hieran anknüpfende Differenzierung von primärem und sekundären Rechtsschutz.

 

Vor allem der zweite Teil, in dem sowohl die verschiedenen Vergabeverfahren als auch die einzelnen Phasen der Ausschreibung näher beleuchtet werden, ist gelungen. Hier werden wirklich praxisrelevante Probleme, wie etwa die unzulässige Mischkalkulation eines Bieters oder Änderungen an den Leistungsverzeichnissen, anhand der Rechtsprechung vorgestellt und erläutert. Gleiches gilt für die Darstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten unter Ausleuchtung der verschiedenen Anspruchsgrundlagen. Dies ist überhaupt eine der Stärken des Buchs: es gelingt dem Autor, das für viele als sehr abstrakt geltende Vergaberecht auf konkrete Normen und ihre praktische Anwendung zurückzuführen. Einher geht damit jedoch auch ein kleiner Nachteil: das Buch ist auf seinen 200 Seiten sehr textlastig. Wer also beim Lernen eher ein optischer Typ ist, der wird etwas zu kämpfen haben – Schaubilder und grafische Übersichten sind hier die absolute Ausnahme.

 

27.10.2009

 

 

Hinne, Anwaltsvergütung im Sozialrecht, 1. Auflage, Nomos 2010

 

Literatur zur Anwaltsvergütung gibt es in großer Zahl. Das RVG wird in vielen Werken rauf- und runterkommentiert. Die Beiträge zum speziellen Thema der Anwaltsvergütung im Sozialrecht sind jedoch dünn gesät. Mit den Standardkommentaren kommt man hier nicht besonders weit. Auch Rechtsprechung zum Thema findet sich nur in Fachzeitschriften und auch dort nur vereinzelt und untergeordnet. Man kann sich wirklich den „Wolf“ suchen. Um so dankbarer ist man für das vorliegende kleine Buch des Dortmunder Rechtsanwalts (und Fachanwalts für Sozial- , Medizin- und Versicherungsrechts) Dirk Hinne, erschienen in der Reihe NomosAnwalt, welches den Stand der Rechtsprechung zusammenträgt und wertvolle Tipps gibt.

 

Bei der Abrechnung der anwaltlichen Vergütung wird viel falsch gemacht. Vor allem werden nicht selten Gebühren aus Unkenntnis vor allem der Rechtsprechung „verschenkt“. Richtig bearbeitet und sogleich umgesetzt, ist dieses schlanke Buch mit seinen ca. 135 Seiten echtes Geld wert. Nach einer sehr lehrreichen – wenn auch ernüchternden – Einleitung zum aktuellen Stand der Vergütungssituation nach Einführung des RVG im Vergleich zur BRAGO, folgen im zweiten Kapitel die „Grundlagen der gesetzlichen Vergütung“ – das Herzstück des Buchs. Hier finden sich geldwerte Hinweise zur Festsetzung der angemessenen Gebühr durch den Anwalt. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier vor allem dem über die Höhe der Gebühr entscheidenden §14 RVG. Dieser stellt die für die Vergütung maßgeblichen Kriterien – Umfang, Schwierigkeit, Bedeutung, wirtschaftliche Verhältnisse, Haftungsrisiko – auf. Der Autor führt dem lesenden Anwalt vor Augen, wie er dieses vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Skelett mit Fleisch aufzufüllen hat, damit am Ende eine seiner Tätigkeit angemessene Vergütung herauskommt. Muster für Tätigkeitsberichte, Kostenfestsetzungsgesuche und Vergütungsrechnungen sind zur Veranschaulichung vorgegeben. Es empfiehlt sich, ein entsprechendes Muster zu den Kriterien des §14 RVG und ihrer Bewertung mit kurzer Begründung in die eigene Sammlung von Mustervorlagen einzuspeisen. Kostet vielleicht ein paar Minuten Zeit, wird sich aber auf Dauer lohnen. Das Muster kann für jede Berechnung aufgerufen und die individuelle Vergütung übersichtlich begründet werden. So kann man den Gerichten, Kostenbeamten, erstattungspflichtigen Gegnern und nicht zuletzt auch dem Mandanten eine transparente Berechnung vorlegen. Gleichzeitig hat man seinen Vergütungsanspruch gesetzlich untermauert und kann unberechtigten Kürzungen vorbeugen. Dies gilt im übrigen nicht nur für den Sozialrechtler.

 

Der Autor beschränkt sich nicht nur auf die im Sozialrecht vorrangig bedeutsame Abrechnung nach Betragsrahmengebühren, sondern seine Ausführungen berücksichtigen auch die Abrechnung nach Wertgebühren, soweit diese im Sozialrecht anfallen. Zum weiteren Umfang des Buchs gehört die Abrechnung in Beratungshilfe- und Prozesskostenhilfesachen, sowie die Festsetzung der Vergütung nach RVG und SGG. Das letzte Kapitel ist der Vergütungsvereinbarung gewidmet. Das Buch richtet sich in erster Linie an die Anwaltschaft. Referendare können hier auch zugreifen, wenn sie sozialrechtlich ausgerichtet sind. Das Vergütungsrecht ist für den Anwalt existenziell und kann nicht früh genug angeeignet werden. Das Buch von Hinne, welches kein Lehrbuch, sondern eher ein Leitfaden ist, gibt hier eine gute Hilfestellung. Empfehlenswert.

 

21.01.2010

 

 

Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 4. Auflage, C.H.Beck 2010

 

Das Werk erscheint in der Reihe „Studium und Praxis“ in vierter Auflage. Überschattet wird die Neuauflage durch den plötzlichen Tod seines namensgebenden Mitbegründers Prof. Dr. Werner Hoppe. Dieser verstarb am 09.07.2009 kurz nach seinem 79. Geburtstag und just nach Beendigung seines Manuskripts zu der nun vorliegenden Auflage infolge eines tragischen Sturzes im münsterischen Hauptbahnhof. Nichtsdestotrotz wird das erfolgreiche Werk in seinem Namen fortgeführt und beginnt mit einem Nachruf.

 

Das Buch wendet sich an Studierende und Praktiker gleichermaßen. Es ist ein rechtwissenschaftliches, theoretisches Werk, das die komplizierte, immer mehr durch Europarecht und Umweltrecht durchsetzte Materie des öffentlichen Baurechts seziert und erläutert. Ein Buch für Hausarbeiten und Examensvorbereitung, keines, mit dem man sich mal eben schnell auf eine Ö-Recht-Klausur vorbereiten würde. Dafür geht es zu sehr in die Tiefe und verlangt seinem Leser schon einiges ab. Die Ausführungen sind sehr fundiert, sehr detailliert und grundlegend. Es ist kein Buch der Marke „Wie ging das nochmal schnell?“, sondern eher eines aus der Reihe „Wie ist das denn überhaupt?“. Es ist ein Lehrbuch, kein Skript. Wenn auch der Gesamtumfang im Vergleich zur Vorauflage etwas reduziert werden konnte, so liegt das Buch noch immer bei 550 Seiten reinem Textanteil. Alleine das daran anschließende Literaturverzeichnis umfasst mehr als 35 Seiten.

 

Das Buch ist hervorragend geeignet, in alle Bereiche des öffentlichen Baurechts vertieft und umfassend einzusteigen, mitunter ein nachhaltiges Nachschlagewerk auch für den späteren Anwalt oder sonst mit dem Baurecht Befassten. Dem Studierenden wird ein umfangreiches Lehrbuch alter, aber nicht verstaubter Schule an die Hand gegeben, welches die Zusammenhänge und gesetzlichen Regelungen auf hohem theoretischen Niveau anspruchsvoll erläutert. Gleichzeitig werden die praktischen Bezüge mittels umfangreicher Urteilshinweise hergestellt. Herzstück ist dabei der dritte Teil des Buchs, der sich dem Städtebau widmet und damit Gegenstände betreut wie Bauleitpläne (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) oder die Systematik der§§ 29 ff. BauGB (Innenbereich – Außenbereich, privilegierte Vorhaben etc).

 

Der Lehrstoff wird von der Pike auf aufbereitet und strukturiert vermittelt. Die Vielzahl von Literaturverweisen dürfte gerade für Hausarbeiten sehr ergiebig sein. Die unzähligen Rechtsprechungshinweise können sowohl vom Studierenden als auch vom Praktiker verschiedenlich nutzbar gemacht werden. In manchen Bereichen, beispielsweise zur Baunutzungsverordnung, erreicht das Buch kommentarniveau und zeigt seine praktische Stärke. Gleiches gilt für den Abschnitt über den gerichtlichen Rechtsschutz. Wer sich fundiert Wissen aneignen und gut informieren möchte, der kann hier auf einen zuverlässigen Partner bauen. Bei einem Preis von immerhin 55 EUR wird aber nicht jeder Student zuschlagen. Dazu ist öffentliches Baurecht eigentlich zu speziell.

 

22.03.2010

 

 

Jäger/Braun, Sozialversicherungsrecht, 13. Auflage, Erich Schmidt Verlag 2009 

 

In der Langschrift lautet der vollständige Titel dieses Werks „Sozialversicherungsrecht und sonstige Bereiche des Sozialrechts – Leitfaden für Praxis und Ausbildung mit Schaubildern und Beispielen“. Damit ist eigentlich jedes charakteristische Merkmal des Buchs bereits im Titel genannt. Und genau das wird dem Leser auch geboten.

 

Auf knapp 400 Seiten in einem griffigen Format werden die Grundzüge und Kernbereiche sämtlicher Sozialgesetzbücher auf äußerst anschauliche und effiziente Art erklärt. Das Buch wendet sich nicht nur an Juristen, sondern generell an jeden, der sich für Sozialversicherungsrecht interessiert. Es ist daher leicht lesbar und gut verständlich. Wer ein theorienlastiges, von Rechtsprechungszitaten durchsetztes Lehrwerk für Fortgeschrittene sucht, der liegt hier falsch. Für alle anderen bietet sich hier eine gut überschaubare Einstiegslektüre, das die wesentlichen Grundzüge umreißt.

 

Dabei machen es die Autoren dem Leser wirklich leicht, an die Materie heranzugehen. Der übersichtliche Aufbau beginnt mit einer kurzen Einführung zum Warum und Seit-Wann des Sozialversicherungssystems und folgt sodann in seinem Hauptteil den verschiedenen SGBs in deren Reihenfolge, also von SGB I bis XII. Es schließt sich ein wesentlich kürzerer Teil zu den bereits erwähnten „sonstigen Bereichen des Sozialrechts“ an, womit BaföG und Wohngeld, sowie das soziale Entschädigungsrecht im Schnelldurchlauf erläutert werden.  Am Ende folgt in der dem Werk eigenen gebotenen Kürze der abschließende Teil zum Thema Sozialgerichtsbarkeit.

 

Das Buch wartet mit vielen Übersichten, Schaubildern, Diagrammen und aktuellen statistischen Daten auf, so dass die Darstellung sehr plastisch und nutzerfreundlich erfolgt. Die Grundlagenvermittlung erfolgt sehr schnell, der Wissensfluss ist leichtgängig. Die praktische Seite des Sozialrechts und auch seine monetären Ausprägungen werden gerade durch die Statistiken transparent gemacht und erleichtern das Verstehen. Beispiele und Rechtsprechungshinweise tun ein übriges. Selbstverständlich sind Gesetzeslage, Rechtsprechung und soziale Rechengrößen auf dem aktuellen Stand. So finden sich auch die Neuregelungen des Versorgungsausgleichs ebenso berücksichtigt wie der Gesundheitsfonds und die aktuellen Regelsätze.

 

Gerade für die Ausbildung wird hier Einsteigern ein guter Leitfaden an die Hand gegeben. Auch für die berufsbegleitende Ausbildung innerhalb der Verwaltung geeignet.

 

16.11.2009

 

 

Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, Haufe, 2009

 

Der Kommentar zum SGG aus dem Haufe-Verlag erschien erstmals vor ungefähr acht Jahren und wird nun in der Reihe der „Berliner Kommentare“ als aktualisiertes Update aufgelegt. Mittlerweile ist er im Umfang auf weit über 1.100 Seiten angewachsen. Das Autorenteam der Kommentatoren besteht ausnahmslos aus Richterinnen und Richtern, was auf den ersten Blick eine gewisse Einseitigkeit der Darstellung vermuten lässt. Das täuscht jedoch. Vielmehr profitiert das Werk und somit der Leser von der Gerichtsnähe seiner Verfasser. Die Informationen kommen aus „erster Hand“. Zudem zeichnet sich das Werk durch Vielseitigkeit und Alltagstauglichkeit aus. Die optische Gestaltung ist schlicht und übersichtlich, wenn möglich, stets reduziert auf wenige Gliederungspunkte. So werden z.B. - für einen Kommentar eher unüblich – wichtige Beispiele aus der Rechtsprechung in umrahmten Kästen optisch abgesetzt.

 

Der praktische Ansatz zeigt sich auch im konzeptionellen Aufbau: Die eigentliche Kommentierung jeder Norm erfolgt stets unter der Überschrift „Rechtspraxis“ und die Hilfestellung für den Anwender wird genau aus dieser Warte verfasst. Wie wird die Norm vor Gericht angewandt, was kann der Anwender vom Richter erwarten? Der aktuelle wissenschaftliche Meinungsstand wird hervorragend aufbereitet, auch abweichende Meinungen als solche gekennzeichnet, so dass man bei Bedarf in alle Richtungen Argumente finden kann. Die Kommentierung orientiert sich jedoch streng an der Rechtsprechung und verleiht somit ein hohes Maß an Sicherheit. Die Verfasser bieten weniger ein „Man-kann-das-auch-so-sehen“ als vielmehr ein „So-wird-es-gemacht“. Auf diesen Kommentar kann man sich wirklich verlassen. Fachlich bietet das Werk hohes Niveau. Die unzähligen zitierten Urteile werden zudem durch zahlreiche weiterführende Literaturhinweise ergänzt. Als herausragend und sehr detailliert muss vor allem die Darstellung der Rechtsmittel bezeichnet werden.

 

Das Buch kann übrigens auch von Nicht-Juristen sehr gut nutzbar gemacht werden, etwa von Sozialbevollmächtigten, Verbänden, Betreuern oder auch Betroffenen selbst. Der Jansen ist nämlich mehr als nur ein Kommentar. Im Buch enthalten sind zusätzlich – neben der Gesetzeskommentierung – auch viele, teils mit Anmerkungen versehene Vorlagen und Schriftsatzmuster. Diese sind zudem sämtlich auf einer zum Lieferumfang gehörenden CD-ROM enthalten zur direkten Nutzung und Weiterverarbeitung in der eigenen Textverarbeitung. Auf dem Datenträger sind zusätzlich sämtliche im Buch enthaltenen Gesetze im Volltext dabei, sowie mehr als 1.500 der im Kommentar zitierten Entscheidungen. Diese Urteilsdatenbank wird wiederum vor allem die Anwaltschaft begeistern. Anwälte werden sich zudem über den im Anhang vollständig abgedruckten Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit freuen. Aus anwaltlicher Sicht ebenfalls sehr erfreulich, weil nützlich und wichtig, ist die umfangreiche Darstellung des Kostenrechts.

 

Alles in allem ein sehr gelungener Beitrag, der zurecht neu erscheint und der hoffentlich noch viele Auflagen haben wird.

 

29.11.2010

 

Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage, Nomos, 2011

 

Der 270 Seiten schmale Band des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Landessozialgericht Thomas Krodel erscheint in neuer Auflage in der Reihe NomosPraxis. Genau da, wo es hingehört, denn das hier ist ein hervorragendes Buch für Praktiker, ob Richter oder Anwalt, Sozialverband oder Behörde. Ob Studenten hiermit was anfangen können, ist schwer zu sagen, wohl nur Wahlfachstudenten. Referendare können hier jedenfalls zugreifen. Der Verfasser widmet sich in neun Abschnitten (A – I) gut sortiert und sehr gründlich dem sozialgerichtlichen Eilverfahren. Bereits das Literaturverzeichnis ist für ein Buch dieses Umfangs (noch dazu ein Praktikerbuch) überraschend umfangreich und liefert – bei Bedarf - viele Einstiegsmöglichkeiten zur wissenschaftlichen Vertiefung.

 

Die Stärke des Buchs liegt jedoch in der Aufbereitung der Problemkreise für den Praktiker. In gebotener Kürze trägt er in Abschnitt A zunächst die relevanten formellen Anforderungen an die Statthaftigkeit eines Eilantrags zusammen, um sich dann in den Abschnitten B und C sehr detailliert den materiellen Fragen zuzuwenden. Krodel unterscheidet dabei stets sehr sauber zwischen Anfechtungs- und Vornahmesachen. Der kleine Band bringt es auf über 1600 Fußnoten, in denen überwiegend obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung zitiert wird – eine wahre Goldgrube an Fundstellen, welche auch ein Kommentar nicht besser liefern könnte. Krodel bietet so viele Hinweise und Argumentationshilfen, dass kaum Wünsche offen bleiben. Relevante Theorienstreitigkeiten werden bei noch ungeklärter (d.h. nicht entschiedener) Rechtslage dargelegt und mit weiterführenden Fußnoten versehen, z.B. bezüglich der Frage der einstweiligen Anordnung bei noch ausstehendem Ermessen der Behörde oder dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache.

 

Das Buch befasst sich mit den praktischen Fragen, die in der Umsetzung eines Eilantrags bei Gericht auftreten können. Dank seines umfassenden Bearbeitungskanons auch mit Ausnahmekonstellationen wie etwa dem Nachholbedarf für Zeiten vor Antragstellung oder dem Hängebeschluss, d.h. einer vorläufigen Zwischenregelung bis zur Entscheidung über den Eilantrag (quasi für ganz besonders eilige Eilverfahren). Neben der schieren Vielzahl von Fundstellen bietet das Werk zahlreiche Beispiele, Musterformulierungen (ohne Formularbuchcharakter) und kleinere Checklisten. Ein besonderes Augenmerk legt der Verfasser auf den durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgegebenen Prüfungsmaßstab für Eilentscheidungen, die im letzten Abschnitt I des Buchs in geballter Form zusammengefasst und wörtlich zitiert werden.

 

Der Autor wird auch dem forensischen Alltag in puncto Hartz IV gerecht, ein Rechtsgebiet, das seit seiner Einführung zum 1.1.2005 wie kein anderes im Sozialrecht den Anwendungsbereich des Eilrechtsschutzes befeuert und zu mehr Richterstellen geführt hat. Krodel hat daher einen eigenen Abschnitt G den spezifischen Anforderungen des Eilverfahrens im Grundsicherungsrecht gewidmet, wobei er hier insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 1 BvL 1/09 eingeht. Eine weitere Fundgrube für Praktiker eröffnet Krodel in dem sich hieran direkt anschließenden Abschnitt H, in welchem er ausgewählte Eilentscheidungen auflistet, geordnet von SGB II – XII. Alleine hier liefert er in über 250 Fußnoten ausschließlich Urteilsfundstellen. Ein sehr aufgeräumtes Stichwortverzeichnis beschließt den positiven Eindruck. Einziges Manko aus anwaltlicher Sicht: der Abschnitt über die anwaltliche Vergütung im Eilverfahren hätte etwas umfangreicher ausfallen können. Andererseits gibt es hierfür das empfehlenswerte Buch Anwaltsvergütung im Sozialrecht von Hinne (auch bei Nomos).

 

Der Krodel ist uneingeschränkt zu empfehlen. Er ist übersichtlich, gut aufgestellt, an der Rechtsprechungspraxis ausgerichtet, benutzerfreundlich, umfassend. Erstaunlich, was hier in 270 gepackt ist.

 

10.11.2011

 

 

Kummer, Formularbuch des Fachanwalts Sozialrecht, 1. Auflage, Luchterhand 2010

 

Das Buch von Prof. Dr. Peter Kummer, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D., erscheint in erster Auflage als gebundene Ausgabe und umfasst gute 1.000 Seiten. Auf diesen finden sich 322 „Schriftsatzmuster für das sozialgerichtliche Verfahren“, so der Untertitel. Das Werk versteht sich somit als reines Prozessformularbuch. Gegenstand sind daher selbstredend die Vorschriften des SGG und – soweit anwendbar und relevant – der ZPO und des GVG. Einbezogen in die Darstellung werden im übrigen nur die Vorschriften des SGB I, IV und X, also die Regeln des Sozialverwaltungsverfahrens im weitesten Sinne. Materielles Sozialrecht ist nicht Inhalt des Werkes, bzw. es wird nur hier und da anhand der in den Formularmustern verwendeten Beispielsfälle schwerpunktmäßig angerissen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Rechtsanwälte und jeden, der korrekte Anträge bei Gericht einreichen muss.

 

Und schon ist man mitten im Aufbau des Buchs. Die Schriftsatzmuster sind nicht wie üblich thematisch oder nach chronologischem Prozessablauf geordnet, sondern schlicht und ergreifend alphabetisch nach Stichworten. Das ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, weil man diese Anordnung nicht allzu häufig antrifft und sie zuweilen, obwohl es der Vereinfachung dienen soll, beim Auffinden der gesuchten Problematik manchmal verwirrt. An dieser Stelle kann in soweit allerdings zugleich Entwarnung gegeben werden: die anfängliche Verwirrung, die ausschließlich der Seltenheit, nicht der Unzulänglichkeit der Darstellung geschuldet ist, wird durch das sehr umfangreiche, sich auf 80 Seiten erstreckende Stichwortverzeichnis vollends ausgeglichen.

 

So findet man denn unter insgesamt 56 Stichworten Schriftsatzmuster von „Ablehnung von Gerichtspersonen“ über „Ordnungsgeld“ bis zu „Zwischenfeststellungsverfahren“. Unter den einzelnen Stichworten sind dann stets die verschiedenen prozessualen Fallkonstellationen in Gruppen zusammengefasst. Diese Zusammenfassung ist jedem einzelnen der 56 Stichworte als kleines Inhaltsverzeichnis der jeweiligen Ziffer vorangestellt, bevor sodann endlich die Schriftsatzmuster folgen. Diese Kurzinhaltsverzeichnisse kommen dem Leser dann wieder sehr vertraut vor, denn diese erinnern an den Aufbau der bekannten Prozessformularbücher. Man kann sich rasch orientieren.

 

Die Formularmuster selbst sind kurz und prägnant gehalten, eben so, wie ein Anwaltsschriftsatz sein sollte: so viel wie nötig, so kurz wie möglich. Dies schärft nicht nur die (Fach-)Sprache, sondern entschlackt die Schriftsätze und dient somit letztlich der Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens. Die Muster sind auch gut lesbar gehalten, es gibt innerhalb des Fließtextes keine hochgestellten Zahlen, Querverweise oder Fußnoten. Die jeweiligen Anmerkungen folgen in einem Guss dem Schriftsatz nach. Überhaupt sind die Anmerkungen – wie bei jedem Formularbuch – das eigentliche Herzstück. Der Autor kann hier auf immenses Wissen und jahrelange gerichtliche Erfahrung zurückgreifen, was dem Leser zugute kommt. Die Anmerkungen sind sehr informativ und dogmatisch instruierend zugleich. Die Muster orientieren sich an der zahlreich zitierten Rechtsprechung, wobei ebenso zahlreiche Verweise auf das Schrifttum die nötige Tiefe erreichen lassen. In den Anmerkungen werden nicht nur die verfahrensrechtlichen Vorschriften und Zusammenhänge erläutert, sondern sie liefern auch prozessuale Tipps und Lösungswege für den Praktiker. Die den Mustern zugrunde gelegten Fälle sind generalisierte, im Sozialgerichtsprozess typischerweise auftretende Konstellationen, die man daher oft nutzbar machen kann. Ein weiterer Vorteil des durchdachten Buchs. Für ein Prozessformularbuch ist das Werk sehr übersichtlich und schlicht gehalten, letzteres im positiven Sinne. Es ist keines dieser Bücher, dessen Papier an Gesangsbücher erinnern oder bei dem man selbst als junger Mensch eine Lupe zur Hand nehmen muss. Das Buch kommt ohne eine einzige Fußnote aus und der Leser wird auch sonst nicht drucktechnisch abgelenkt. Das Buch bietet sehr hohes Niveau bei zugleich einfachem Aufbau.

 

Kleines Manko: es handelt sich um ein reines Stand-Alone Printmedium. Eine CD-ROM, auf welcher die Muster etwa als Word-Dokument zur Einspeisung in die eigene Datenbank enthalten wären oder eine Verlinkung zu einem Internetportal mit individuellem Zugangscode, sind nicht Bestandteil des Lieferumfangs. Vielleicht in der nächsten Auflage.

 

08.07.2010

 

 

Kunz/Zellner/Gelhausen/Weiner, Opferentschädigungsgesetz, 5. Auflage, C.H. Beck 2010

 

Im Vorwort wird es zutreffend formuliert: die Neuauflage des Kommentars zum OEG war überfällig, erschien doch die Vorauflage vor mehr als zehn Jahren. In dieser Zeit hat sich einiges getan, insbesondere ist die Rechtsprechung voran geschritten. In Kraft getreten ist zum 01.07.2009 zudem das 3. OEG-Änderungsgesetz. Dieses brachte im wesentlichen eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf im Ausland gegen Deutsche und ihnen Gleichgestellte verübte Gewalttaten, sowie eine Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Menschen ausländischer Herkunft. Hintergrund dieser Änderungen waren der Terroranschlag auf der tunesischen Ferieninsel Djerba, bei dem auch Deutsche getötet wurden, und diverse Anschläge auf türkische Familien in Deutschland.

 

Das Opferentschädigungsgesetz wird in der Praxis nicht selten stiefmütterlich behandelt. Dabei beruht es auf dem guten Gedanken, Opfern von Gewaltverbrechen eine Entschädigung zukommen zu lassen, weil der Staat – als Inhaber des Gewaltmonopols – in der konkreten Situation nicht in der Lage war, das Opfer zu schützen und weil es vom Täter und eigentlichen Schädiger nicht ausreichend Ausgleich erhalten kann. Es ist ein kleines Gesetz und umfasst nur  elf Paragrafen. Schmal und handlich fällt daher auch der vorliegende Kommentar dazu aus – schmal, aber nicht schmalbrüstig.

 

In seinem Aufbau gliedert sich das Buch wie folgt: vorangestellt wird der reine Gesetzestext, gefolgt von einer kurzen, aber informativen Einführung. Es folgt sodann auf weiteren ca. 160 Seiten die eigentliche Kommentierung des Gesetzestextes. Soweit die erste Hälfte des Buchs. Die zweite, nochmal so seitenstarke Hälfte besteht aus zwei Anhängen.

 

Die Kommentierung selbst – das Herzstück eines jeden Kommentars - ist überaus gelungen. Die Autoren legen größten Wert auf Praxisnähe und die unmittelbare Anwendung im juristischen Alltag. Ohne aus- oder abzuschweifen erreichen die Ausführungen dennoch phasenweise das Niveau eines Lehrbuchs. Dabei wird sich jedoch stets an der geltenden Rechtsprechung orientiert und nie der rote Faden aus den Augen verloren. Um die Praxistauglichkeit weiter zu steigern, wurde die Darstellung des Leistungsrechts ausgebaut. Dazu muss man wissen, dass das OEG bezüglich der dem Opfer zustehenden Leistungen auf die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes – BVG – verweist. Den größten praktischen Nutzen entfaltet der kleine Kommentar daher in seinem ersten Anhang. Hier werden anhand eines Fragekatalogs – quasi die FAQ der Opfer – wichtige Tipps und Anwendungsregeln für die Praxis aufbereitet. Die Verfasser stellen somit auch dem gelegentlichen dem Anwender ein sehr nützliches Werkzeug für die Umsetzung des OEG zur Verfügung. Der zweite Anhang liefert weitere Gesetzestexte, z.B. das BVG selbst. Insgesamt macht die Neuauflage dieses Werks einen sehr guten Eindruck. Ein kleiner, aber feiner Kommentar.

 

07.06.2010

 

 

Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl., Nomos
2012

 

Die Formularsammlung zum Ausländer- und Asylrecht von Rechtsanwalt Dr. Reinhard Marx geht in die zweite Runde. Obwohl der Begriff „Formularsammlung“ der Sache nicht ganz gerecht wird, denn das Buch leistet viel mehr als das bloße Zusammentragen von thematisch sortierten Schriftsatzmustern. Marx gilt zu Recht als einer der bundesweit wichtigsten Autoren, wenn es um Ausländer-, Asyl- oder Staatsangehörigkeitsrecht geht. Seine Werke und Schriften zeichnen sich stets durch einen direkten Praxisbezug und die Handhabung der reellen Verhältnisse aus. Seine Diktion ist exakt und verständlich und, wann immer erforderlich, auch kritisch, jedoch nie belehrend.

 

Marx trägt mit seinem Werk ganz erheblich zum Verständnis und vor allem der täglichen Umsetzung im Rechtsalltag bei. An seinen Büchern kommt im Grunde keiner vorbei, der sich ernsthaft mit der Materie befasst. Auch das vorliegende wertvolle Buch ist ausschließlich für die Praxis gedacht und wendet sich vor allen anderen an die Rechtsanwaltschaft. Das 600 Seiten starke Werk gliedert sich in die drei Teile Aufenthaltsrecht, Einbürgerungsrecht und Asylrecht unter Beachtung diverser gesetzlicher Neuregelungen (z.B. das Zwangsverheiratungsbekämpfungsgesetz und das
Richtlinienumsetzungsgesetz von 2011).

 

Teil 1 macht das Aufenthaltsrecht zum Gegenstand, von der Ersterteilung des Aufenthaltstitel, über dessen Verlängerung, behandelt den Ehegatten- und Kindernachzug, den Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und das praktisch ebenso bedeutsame Gebiet der Befristung des Aufenthaltstitels. Teil 2 deckt das Einbürgerungsrecht ab und das in Teil 3 verortete Asylrecht gibt Vorlagen für den Asylantrag, das verwaltungsgerichtliche Vorgehen (inklusive Eilrechtsschutz)  und Zulassungsantrag.

 

Der Verfasser beschränkt sich jedoch nicht drauf, nur eine Mustersammlung herauszugeben. Marx lässt seine gesamte praktische Erfahrung einfließen und stellt zunächst die jeweilige Verfahrenssituation konkret und greifbar vor. Die Fälle, derer er sich hierzu bedient, sind aus dem Leben der Betroffenen und der anwaltlichen Praxis herausgegriffen und bilden einen Querschnitt der typischen Fallkonstellationen des jeweiligen Sektors im Ausländerrecht ab. Marx schildert die Verfahrenssituation stets so, wie sie sich aus der Sicht des Anwalts darstellt und gibt zahlreiche, sehr detaillierte Anweisungen und Tipps, wie in der
konkreten Situation zu verfahren ist, und zwar bereits im
Aufklärungs- und Beratungsgespräch. Welche Fragen sind zu stellen, welche Unterlagen und Dokumente sind wo und wie – und vor allem bis wann – zu besorgen. Materielles Recht und Verfahrensrecht werden in ihrem Zusammenwirken hervorragend herausgearbeitet. So kommt am Ende eine wirklich gelungene Darstellung des Ausländerrechts heraus, welches dank seiner teils ausufernden Vorschriften, Ausnahmen und Rückausnahmen und seinen zahlreichen Fristen doch sehr unübersichtlich geartet ist. Marx zeigt dabei auch die Sicht der anderen Verfahrensbeteiligten auf, insbesondere der Ausländerbehörde, so dass man sich bereits auf die dortigen Vorstellungen, Herangehensweisen und Taktiken vorbereiten kann. So wird aus der reinen Formularsammlung ein echtes und umfangreiches Anwaltspraxishandbuch. Das ganze mündet schließlich natürlich in die jeweiligen Schriftsatzmuster, welche dann im Anschluss ausführlich kommentiert und mit noch mehr Bearbeitungshinweisen versehen werden. Das gesamte Werk orientiert sich an der in Fußnoten äußerst umfangreich zitierten Rechtsprechung, auf die der Leser zugreifen kann. Sämtliche Muster werden übrigens zusätzlich auf einer dem Printmedium beiliegenden CD-ROM in gängigem Format
mitgeliefert, so dass der Anwender die Mustertexte ohne großen
Aufwand in seine eigenen Schriftsätze und Vorlagen per Copy/Paste übernehmen kann. Nutzerfreundlicher geht es kaum. Ein starkes Buch. Der Marx ist im Grunde für die in diesem Gebiet Tätigen unverzichtbar.

 

17.07.2012

 

 

Mrozynski, SGB I Kommentar, 4. Auflage, C.H. Beck 2010

 

Endlich und längst überfällig erscheint in der Reihe der gelben Erläuterungen aus dem Hause C.H. Beck der Standard-Kommentar zum SGB I schlechthin nach 2003 wieder in neuer, diesmal vierter Auflage. Der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuchs  - SGB I hat zwar in den letzten Jahren keine einschneidenden oder wesentlichen Änderungen durch den Gesetzgeber erfahren. Aber in vielen anderen Teilgebieten des Sozialgesetzbuchs hat es erhebliche und zahlreiche Änderungen gegeben. Da gemäß §37 SGB I der Allgemeine Teil für alle Sozialleistungsbereiche gilt, ist es daher unmöglich, diese anderweitigen Änderungen aus den Betrachtungen des SGB I auszublenden. Die Teile beeinflussen sich gegenseitig. Aber auch Änderungen außerhalb des Sozialrechts hatten Einfluss auf das SGB I. Vor allem jedoch ist die Rechtsprechung voran geschritten und stetig gewachsen, insbesondere die des Bundessozialgerichts und auch des Bundesverfassungsgerichts. Daher kommt die Neuauflage zur rechten Zeit und stellt ein wichtiges und lang ersehntes Update dar, welches den beliebten Handkommentar wieder auf den neuesten Stand bringt.

 

Die Darstellung ist wie gewohnt sehr einheitlich und inhaltlich höchst kompetent. Es ist ein Kommentar, der sich einer verständlichen Sprache bedient und dennoch sehr detailliert ist. Es werden viele Hintergrundinformationen geliefert und die Argumentationshilfen sind zahllos. Wo immer auch nötig, werden auch Vorschriften anderer Sozialbücher „mitkommentiert“ und der nötige Zusammenhang, der in der praktischen Anwendung so wichtig und unverzichtbar ist, hergestellt. Eine hervorragende Leistung, die um so höher einzuschätzen ist, als der Allgemeine Teil – SGB I alle anderen Sozialleistungsbereiche beeinflusst und für deren Verständnis von grundlegender Bedeutung ist. Der Autor steht daher vor der Herkules-Aufgabe, die Auswirkungen des SGB I auf das gesamte Sozialversicherungssystem (SGB III, V, VI, VII, XI), die Kinder- und Jugendhilfe, das Behinderten- und Teilhaberecht, die Grundsicherung und Sozialhilfe, sowie das Wohn-, Kinder- und Erziehungsgeld darzustellen. Das alles gelingt ihm ohne den Überblick zu verlieren.

 

Berücksichtigt in der neuen Auflage ist unter anderem das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes, welches zur Einführung des sog. P-Kontos in Form eines allgemeinen Pfändungsschzukontos geführt hat. Hier sind maßgeblich die Vorschriften der ZPO geändert worden, speziell §850k ZPO. Dies hat im SGB I nun dazu geführt, dass die Vorschrift des §55 SGB I, der die Pfändung von Sozialleistungen regelt, nur noch als vorübergehende „Gespenster-Norm“ bis zum 31.12.2011 ein Schattendasein führen wird und der bereits ab 01.07.2010 keine Anwendung mehr findet, wenn der Schuldner schon über ein P-Konto verfügt.

 

Berücksichtigt ist zudem das Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz), welches dem Antragsteller den für viele Sozialleistungen bedeutsamen Einkommensnachweis erleichtern und so letztlich auch dem Bürokratieabbau dienen sollte. Verarbeitet ist weiter das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, welches die die Eingliederungsleistungen des SGB II neu geregelt hat (Stichwort: Vermittlungsbudget).

 

Der Umfang des Buchs ist im Vergleich zur Vorauflage von ca. 745 Seiten auf ca. 870 Seiten gewachsen. Der Preis ist ebenfalls gewachsen, und zwar von 35 EUR auf jetzt 48 EUR. Angesichts der Qualität verschmerzbar. Der Mrozynski ist der Standard-Kommentar zum SGB I und für den Anwender unverzichtbar.

 

05.10.2010

 

 

Muckel, Öffentliches Baurecht, 1. Auflage, C.H. Beck 2010

 

Prof. Dr. Stefan Muckel, Jahrgang 1961, wirkt an der Universität Köln und hat dort einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Kirchenrecht inne, und zwar am Institut für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte. Auf den ersten Blick fachlich nicht gerade die Ecke, aus der man ein Lehrbuch zum Thema „Öffentliches Baurecht“ erwarten würde. Ein Blick in die Literaturliste und sonstigen Veröffentlichungen des Verfassers erhellt das Ganze jedoch ein wenig mehr und unterbindet das Schubladendenken. So ist Prof. Muckel z.B. auch Mitautor der „Fälle zum Bau- und Raumordnungsrecht“ aus der JuS-Schriftenreihe des Hauses Beck. Nunmehr erscheint in der sehr bekannten und bei Studenten zurecht beliebten Reihe „Grundrisse des Rechts“ - nach seinem Buch „Sozialrecht“ - jetzt der Band „Öffentliches Baurecht“.

 

Wie er es in seinem sehr offenen und ehrlichen Vorwort andeutet, handelt es sich hierbei lediglich um eine Darstellung, die sich ausschließlich am Pflichtfachstoff orientiert und nur dessen Studenten – also im Grunde jeden, der Öffentliches Baurecht nicht zu seinem Schwerpunkt erhebt – als Zielgruppe vor Augen. Mehr wird nicht versprochen, aber auch letztlich gehalten. Keinesfalls will das Buch mit den größeren, umfangreicheren Lehrbüchern konkurrieren. Es kann nicht – und will es auch nicht – mit Lehrbüchern wie etwa Hoppe/Bönker/Grotefels oder Stollmann verglichen werden. Muss es aber auch nicht, berücksichtigt man die Zielrichtung dieser speziellen Schriftenreihe. Es geht hier nur darum, die Grundzüge kennen zu lernen, Basics und einfache Grundstrukturen, ohne deren Kenntnis das größte Detailwissen nutzlos ist. Ein Buch, mit dem man startet. Folgerichtig beinhaltet der Bearbeitungstenor dieses kurzen Buchs nach einer kleinen, informativen Einführung nur die Essentialia des Pflichtfachs: Bauplanungsrecht, Bauordnungsrecht und Nachbarschutz. That´s it.

 

Die Einführung stellt die Abgrenzung öffentliches Baurecht/privates Baurecht dar, widmet sich der Terminologie und den Grundzügen inklusive Gesetzgebungskompetenz und Planungshoheit. Das Bauplanungsrecht beinhaltet die Darstellungen zum Flächennutzungplan und zum Bebauungsplan, d.h. den Bauleitplänen und ihrer Rechtmäßigkeit und Durchsetzbarkeit, sowie dem Klassiker bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§§30 BauGB ff.). Allein letzteres nimmt mit 45 Seiten fast ein Viertel des Seitenumfangs in Anspruch (das Buch bleibt insgesamt unter 200 Seiten). Es folgt der Teil zum Bauordnungsrecht. Was hier ab Seite 118 sofort auffällt, sind die Fußnoten. Im Fließtext rekurriert der Autor stets auf die Paragrafen der Landesbauordnung seines Bundeslandes NRW. Wann immer er aber eine Vorschrift hieraus in seiner Darstellung zitiert, liefert er per Fußnote – und zwar in jeder Fußnote – sogleich auch die entsprechende Vorschrift der anderen 15 Landesbauordnungen. Man muss als Student nicht die nervige Arbeit aufwenden und in seiner jeweiligen LBauO wild umherblättern, um die entsprechende Norm zu finden. Diesen Service bieten so stringent nur wenige Autoren. Es ist bei der Lektüre daher völlig egal, in welchem Bundesland man studiert. Der letzte Teil beinhaltet den Drittschutz im öffentlichen Baurecht, insbesondere den Nachbarschutz und umfasst auch in aller Kürze prozessuale Ausführungen hierzu.

 

Trotz seiner Kürze sind viele Beispiele und Beispielsfälle eingearbeitet, die teils sogar mit Lösung im Gutachtenstil versehen sind. Die Beispiele sind sämtlich der Praxis entnommen und nicht rein akademischer Natur. Zum Ende eines jeden Kapitels wird eine umfangreiche Literaturliste (Aufsätze und Urteile) nachgereicht. Alles in allem gut zu lesender und leicht zu verdauender Neuling. Wer alles weiß, was hier drin steht, ist schon mal ein gutes Stückchen weiter. Für den Einstieg zu empfehlen. Wer mehr will, muss sich anderweitig versorgen.

 

15.11.2010

 

Münder, Sozialgesetzbuch II Lehr- und Praxiskommentar, 4. Aufl.,  Nomos 2011

 

Der Lehr- und Praxiskommentar (LPK) erscheint mit einigen Änderungen im Team der Bearbeiter in neuer Auflage. Brühl ist aus dem Autorenteam ausgeschieden, dafür gibt es mit Geiger, Korte und Lenze gleich drei Neuzugänge. Angesichts der zahlreichen Änderungen des Gesetzes hat das Werk noch einmal um gut 200 Seiten zugelegt und liegt jetzt bei knapp 1.100 Seiten. Aufgrund der neuen Vorgaben des Gesetzgebers war eine Neuauflage des LPK zum SGB II unumstößlich, wenn auch der Vorgänger noch keine zwei Jahre auf dem Buckel hat. Es hat sich, wie so oft, in kurzer Zeit viel getan, ob zum Besseren oder Schlechteren ist wie immer eine Frage des Standpunktes. Abgesehen von kleineren Änderungen und dem Fortschreiten der Rechtsprechung boten maßgeblich zwei weitere Ereignisse Anlass zur Überarbeitung der Kommentierung: Mit seiner Entscheidung vom 09.02.2010 demontierte das Bundesverfassungsgericht – unter anderem - die bis dato geltende Anpassung des Regelsatzes an den aktuellen Rentenwert als sachwidrig und schrieb dem Gesetzgeber zu Recht mit aller Deutlichkeit ins Stammbuch, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen seien und dies entsprechend bei der Bedarfsermittlung zu beachten sei. Das zweite –zeitlich frühere – relevante Ereignis war ebenfalls eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007. Hierin wurde die aus Arbeitsagentur und Kommunen bestehende Mischverwaltung innerhalb des SGB II als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist zur Abhilfe bis 31.12.2010 gesetzt.

 

Letzteres hat der Bundesgesetzgeber dahin gelöst, dass er die duale Verwaltung
beibehalten hat und diese lediglich auf eine ausreichende Grundlage stellte,
indem er einen neuen Art. 91e GG geschaffen hat, der in diesem Bereich die
Mischverwaltung trägt. Dieses Vorgehen war insoweit sinnvoll als es ansonsten
dazu geführt hätte, dass zwei Behörden getrennt über die Leistungsanträge
entschieden hätten: die Bundesagentur über den Regelsatz, die Kommunen über die
Kosten der Unterkunft. Die Folgen wären klar gewesen: zwei Bescheide, zwei
Widersprüche, zwei Klagen. Die Sozialgerichte wären mehr als überlastet
gewesen.

 

Ob die Frage der korrekten Ermittlung der Regelsätze und Bedarfe nunmehr verfassungskonform erfolgt, bleibt abzuwarten. Die Ermittlung wurde entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 in ein formelles Gesetz gepackt (bisher nur in einer Rechtsverordnung geregelt): das neue
Regelbedarf-Ermittlungsgesetz – RBEG, welches in der Neuauflage des LPK im
Anhang zu §20 abgedruckt und kommentiert ist.

 

Bemerkenswert ist auch, dass der Gesetzgeber die Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach §22 Abs. 1  SGB II nunmehr mit den neu geschaffenen §§22a – 22c SGB II in die Hände der Kommunen (Kreise und kreisfrei Städte) legt und diesen über den Landesgesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, über die Angemessenheitsgrenzen im Rahmen einer Satzung selbst zu entscheiden. Eigens zu diesem Zweck wurde ein bis dato dem Sozialgerichtsgesetz unbekanntes Instrumentarium eingeführt: das Normenkontrollverfahren nach §55a SGG n.F. Ob durch diese Satzungslösung durch die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten sich tatsächlich „angemessenere“ Unterkunftskosten ermitteln lassen oder ob ein völlig uneinheitliches Wirrwarr entsteht, im schlimmsten Falle die Kommunen hierüber ihre Haushalte entlasten, indem sie möglichst niedrige Angemessenheitsgrenzen per Satzung festlegen, bleibt mit Spannung abzuwarten. Tatsache ist jedenfalls, dass sich der Gesetzgeber trotz §22b SGB II mit der Satzungslösung von einer bundeseinheitlichen Festlegung eines Mindeststandards der Angemessenheit entfernt. Erste Zweifel an der Verfassungskonformität drückt Berlit in der aktuellen Auflage des LPK deutlich aus: §22a SGB II räumt dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit ein, die Kommune zum Erlass einer entsprechenden Satzung zu verpflichten. Dies scheint mit Art. 28 GG, dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung, nicht in Einklang zu stehen. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.

 

Alle Änderungen und Neuerungen aufzuführen, würde den Rahmen einer Rezension
sprengen. Hingewiesen sei aber auf die Neufassung zum anrechenbaren Einkommen
in §§11a, 11b SGB II. Der LPK setzt sich auch in der vierten Auflage gewohnt
kritisch mit der Materie auseinander, wenn er auch bei der Neufassung des §40 I
SGB II, welcher das für den Leistungsberechtigten scharfe Schwert des §44 SGB X
auf ein Jahr (statt vier Jahre) beschneidet, überraschend handzahm und ohne Stellungnahme
oder Lösungsvorschlag bleibt. Der LPK bietet fundiert Hilfestellung,
Hintergrundinformationen und Argumentationshilfen. Man kann sich präzise und
einfach orientieren. In der Praxis ist der LPK eine echte Hilfe für alle, die
sich mit dem SGB II befassen.

 

05.09.2011

 

 

Münder / Meysen / Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Auflage, Nomos 2009

Die Anzahl der Veröffentlichungen zum SGB VIII halten sich, verglichen mit anderen Teilgebieten des Sozialrechts, in einem relativ überschaubaren Rahmen. Der Frankfurter Kommentar zur Kinder- und Jugendhilfe gehört jedoch zur ersten Adresse und kann mittlerweile auf eine dreißigjährige Tradition zurückschauen. Die ersten Auflagen erschienen noch zum JWG (Gesetz zur Jugendwohlfahrt). Zwischenzeitlich wurde die Kinder- und Jugendhilfe ins SGB VIII übergeführt, dessen Kommentierung mit der vorliegenden Auflage fortgesetzt wird. Natürlich ist der aktuelle Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung inklusive Einführung des FamFG berücksichtigt.
Dabei handelt es sich um einen sehr schwierigen Themenkomplex, den die Autoren hier aufarbeiten müssen. Der Kampf um die Erlangung und praktische Umsetzung des Kindeswohls hat inzwischen hochbrisante gesellschaftliche und politische Ausmaße angenommen. Auf der einen Seite gehen die Schreckensnachrichten von verhungerten und verwahrlosten Kindern in Deutschland durch die Medien, verbunden mit dem Vorwurf eines Totalversagens des „staatlichen Wächteramtes“. Auf der anderen Seite verbieten sich viele Eltern eine überreglementierte Bevormundung und Einmischung des Staates und bestehen auf ihr natürliches, durch Art. 6 GG geschütztes Elternrecht. Das Jugendamt steht mit seinen Mitarbeitern im Kreuzfeuer der Medien, Eltern, Gerichte.
Für den reinen Rechtsanwender bietet die Kinder- und Jugendhilfe das zusätzliche Problem, dass der Ansatz zu einer Lösung der Probleme nur ein interdisziplinärer sein kann. D.h. erforderlich sind nicht nur Kenntnisse des Sozialrechts inklusive seines Verfahrens, sondern auch ein Verständnis für sozialpädagogische und psychologische Lösungsansätze. Unumgänglich sind auch Kenntnisse des Familienrechts und seines Verfahrens, sowie der Motive und Intentionen des Jugendstrafrechts. Das System freier und öffentlicher Jugendhilfe, die Eignung und Zulassung der Einrichtungen und die Jugendhilfeplanung müssen verstanden sein, um sinnvoll auf diesem Gebiet arbeiten zu können.
Der Frankfurter Kommentar bietet hier eine unverzichtbare Hilfe. Er erläutert das durchaus breite Spektrum der Möglichkeiten, welche das SGB VIII den Trägern der Jugendhilfe an die Hand gibt. Dabei ist es zuweilen auch ein kritischer Kommentar, wenn es etwa um die mangelnde Leistungsbereitschaft zur Hilfe für junge Volljährige geht. Das ist begrüßenswert, denn so gelingt es den Autoren, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch praktische Gegebenheiten darzustellen und Problembewusstsein zu schärfen. Gerade für Neueinsteiger in dieses Rechtsgebiet wird hier eine nützliche Orientierung vorgegeben. Das Werk eignet sich hervorragend für die Ausbildung. Der Praktiker findet in der täglichen Anwendung alles was er braucht. Gerade die wirklich gelungene Darstellung der interdisziplinären Wechselbeziehungen macht den Frankfurter Kommentar in der Praxis so stark. Er kann jedem Beteiligten der Kinder- und Jugendhilfe, gleich in welcher Funktion, nur wärmstens empfohlen werden.

 

18.03.2010

 

 

Rixner/Biedermann/Steger, Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, 1. Auflage, Bundesanzeiger 2010

 

Der Systematische Praxiskommentar zum Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung ist kein klassischer Kommentar, wie man ihn kennt. Keiner, in welchem lediglich die Rechtsprechung zusammengetragen und anhand derer der Gesetzestext kommentiert und erläutert wird. Obwohl er auch das leistet. Keiner, in welchem der wissenschaftliche Diskurs und die konkurrierenden Literaturmeinungen dargestellt werden. Hierauf wird absichtlich verzichtet. Ist es dann überhaupt ein Kommentar?

 

Die Frage muss mit einem klaren Ja beantwortet werden. Es ist eben ein Praxiskommentar, und das ist der kleine, aber feine Unterschied. Ein Kommentar, der dem Studenten eher etwas befremdlich erscheinen mag, der aber das Herz des Anwenders höher schlagen lässt. Die Schrift wendet sich an alle, die praktisch mit dem Bauplanungsrecht befasst sind, gleich in welcher Funktion. Stadtplaner, Bauämter, Gerichte und spezialisierte Anwälte werden sicher am meisten davon profitieren. Um das zu erreichen, wurden bereits bei Auswahl des Autorenteams die Weichen gestellt. Die Kommentatoren rekrutieren sich aus den interdisziplinären Teilgebieten, die das Bauplanungsrecht ausmachen – Städteplaner, Architekten und Sachverständige, Fachanwälte und Richter. Bereits hier erkennt man, dass es sich nicht um eine rein juristische Schrift handelt. Die Zielsetzung geht dahin, die in der Städteplanung auftretenden Problemkreise und Verlinkungen insbesondere zu anderen Rechtsgebieten, die für die Planung relevant sind, Norm für Norm darzulegen und dem Anwender Lösungswege an die Hand zu geben. (Kleine Randnotiz: Für den interessierten Leser sind Kurzbiografien sämtlicher Autoren dem Werk vorangestellt, so dass diese nicht einfach nur irgendwelche Namen bleiben, sondern Kontur und Leben erhalten.)

 

Das Buch besticht – im Gegensatz zu herkömmlichen Kommentaren – durch die unzähligen, den Fließtext erläuternden Skizzen, Planzeichnungen und Beispielskarten. Man hat sofort ein Bild vor Augen und kann alles direkt umsetzen. Die Textpassagen selbst sind gut verständlich formuliert und auf das Wesentliche reduziert, ohne dass dies zu einer inhaltlichen Verkürzung führte. Bei diesen Anteilen des Werks handelt es sich um echte Gesetzeskommentierung unter Darstellung der geltenden Rechtsprechung. Die Erläuterungen sind instruierend und werden ihrerseits durch zahlreiche Schaubilder und Prüfungsschemata und Checklisten für den Praktiker ergänzt. Die grau unterlegten Praxishinweise helfen, typische Stolpersteine und besondere Konstellationen zu erkennen und zu meistern. Insoweit wird hier im Kommentar umfangreich auf Lehrbuchelemente zurückgegriffen. Die formale Gestaltung gerade der Praxishinweise kennt man so eigentlich nur aus Kompaktskripten oder Anwaltshandbüchern.

 

Inhaltlich bietet das Werk eine Komplettkommentierung des Baugesetzbuchs, der Baunutzungsverordnung und der Immobilienwertermittlungsverordnung. Aufbautechnisch folgt nach dem Text der jeweiligen Norm jeweils ein Inhaltsverzeichnis der nachfolgenden Kommentierung zur besseren Orientierung. Diese gliedert sich sodann in einen Überblick und den Regelungsgehalt der Norm. Dieser zweigliedrige Aufbau sorgt für Übersicht. Besonders gelungen ist die Verzahnung zu den das Bauplanungsrecht beeinflussenden anderen Rechtsgebieten wie etwa dem Umwelt- oder Immissionsschutzrecht. Hilfreich und erhellend sind auch die Berechnungsbeispiele etwa zur Bewertung von Umlegungsvorteilen im Umlegungsverfahren oder zum Erschließungsrecht. Den Abschluss macht ein dann doch recht knapp ausfallender Überblick über den gerichtlichen Rechtsschutz (Stichwort: Normenkontrollverfahren, Baugenehmigung). Der Bearbeitungstenor des Buchs ist sehr umfangreich, dabei kommt das Werk mit gut 1.600 Seiten aus.

 

Es ist ein Kommentar und Nachschlagewerk zugleich, versehen mit zahlreichen Fundstellen. Obgleich unter Verzicht auf rechtswissenschaftlichen Diskurs und Darstellung juristischer Dogmatik hat das Werk lehrbuchähnlichen Charakter. Aufgrund seiner wahrlich zahlreichen Schaubilder, Schemata, Beispielsfälle, Praxishinweise, Mustertexten und –verträgen ist es zudem ein Leitfaden und praktischer Helfer für die tägliche Arbeit. Das Werk ist die eierlegende Wollmilchsau des Bauplanungsrechts.

 

24.08.2010

 

 

Schlegel/Voelzle, Juris Praxiskommentar SGB IX, 1. Auflage, Juris 2010 

 

Das ursprünglich als reiner Online-Kommentar geplante Werk erscheint, erfreulicherweise, nun doch auch als Printmedium in gebundener Ausgabe und umfasst etwas mehr als 1.100 Seiten. Für die einen ein Anachronismus, für die anderen das einzig Wahre. Im Hause Juris schlägt man die Brücke in beide Welten: das Buch wird zusammen mit einem 12-monatigen Zugang zum entsprechenden Online-Pendant mit all dessen Vorzügen geliefert. Bisher besteht die Reihe der Printausgaben zum Online-Projekt aus sieben Bänden. Der Praxis-Kommentar zum SGB IX ist einer davon.

 

Die Autoren liefern einen wirklich gut gelungenen Kommentar zum SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Auf eine einleitende Einführung oder Vorbemerkungen wird verzichtet, es geht sogleich mit der Kommentierung los. Diese gefällt bereits formal außerordentlich: der Aufbau ist sehr geordnet und übersichtlich. Gleich nach dem Gesetzestext der jeweiligen Vorschrift folgt unter dem Begriff „Gliederung“ ein Kurzinhaltsverzeichnis zur nachfolgenden Kommentierung. Dieses ist – auch drucktechnisch – übersichtlicher als in anderen Kommentaren zum SGB IX, was die Orientierung erleichtert und die Zugriffsgeschwindigkeit erhöht. Die sich sodann anschließende Kommentierung zur einzelnen Norm ist jeweils in einen Teil A „Basisinformationen“ und einen Teil B „Auslegung der Norm“ aufgeteilt. Wo es erforderlich ist, gibt es noch einen knappen dritten Teil C „Praxishinweise“. Der Kommentar arbeitet im übrigen mit dem üblichen Randnummernsystem ohne weitere Schnörkel oder Abweichungen. Überhaupt ist der Fließtext in kurze, überschaubare und gut zu lesende Abschnitte aufgeteilt. Das Wesentliche ist schnell auffindbar ohne dass das Verständnis darunter leiden würde.

 

Die „Basisinformationen“ enthalten die Historie der Vorschrift, Angaben zu den Gesetzesbegründungen und –materialien, Vorgängervorschriften und – sehr praktisch – Parallelvorschriften aus anderen Gesetzen. Gerade dieses letztgenannte Feature steigert das Verständnis der komplexen Regelungen und Zusammenhänge im Sozialrecht ungemein. Die Autoren leisten hier einen wichtigen Beitrag zum Verstehen des Sozialrechts insgesamt und ersparen dem Leser aufwändige Sucharbeiten. Die „Basisinformationen“ enthalten auch Hinweise auf einschlägige Verwaltungsvorschriften und Empfehlungen, soweit solche existieren und für die Norm bedeutsam sind. An gleicher Stelle sind auch Internetseiten und Kontaktdaten zum Bezug von Antragsformularen und Merkblättern etc. vermerkt. Auch hier zeigt sich, dass es sich bei dem vorliegenden Werk um einen Praxiskommentar handelt, der auch benutzt werden möchte. All diese Hinweise und Hilfestellungen sind sehr nützlich, erleichtern die tägliche Arbeit und liefern echtes Insiderwissen.

 

Unter „Auslegung der Norm“ folgt dann die eigentliche Kommentierung der Vorschrift. Hier macht sich die Auswahl des Autorenteams besonders (positiv) bemerkbar. Das SGB IX ist nur teilweise Sozialrecht. Einen großen Anteil am SGB IX hat nämlich das Arbeitsrecht, man kann sagen, das Schwerbehindertenarbeitsrecht. Daher ist die Autorenliste mit erfahrenen Profis und Praktikern aus beiden Teilrichtungen bestückt, was dem Kommentar gut tut und ihm sein hohes Niveau zuteil werden lässt. Verständlich, umfassend und mit Tiefgang wird kommentiert. Unzählige Literatur- und Rechtsprechungsnachweise bilden das Fundament der Bearbeiter, auch relevante Mindermeinungen werden nicht unterschlagen. Argumentationshilfen werden somit weit gestreut. Der Kommentar zeichnet sich dennoch durch einen hohen praktischen Nutzen aus, nicht zuletzt auch durch seine verfahrensrechtlichen Tipps.

 

Im Anhang liefert der Verlag schließlich noch die Texte wichtiger Verordnungen als Bonusmaterial, so etwa die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung, Werkstätten-Verordnung und Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung, ein weiterer Pluspunkt in Sachen Praxistauglichkeit. Insgesamt ein sehr guter Kommentar, auf den man gerne zugreift und der es verdient hat, sich durchzusetzen. Sehr empfehlenswert.

 

22.07.2010

 

 

Schütte/Horstkotte/Schubert/Wiedemann, Vergabe öffentlicher Aufträge, 2. Auflage, Kohlhammer, 2011

 

Aus der Reihe Recht und Verwaltung des Kohlhammer-Verlags erscheint der kleine, schmale Band zur Vergabe öffentlicher Aufträge in neuer Auflage. Er gliedert sich in einen ca. 130 Seiten starken Textteil und einen ca. 30 Seiten umfassenden Anhang, der die für die Lektüre des Buchs erforderlichen Auszüge aus VOB/A und VOL/A mitliefert. Das Buch richtet sich an Einsteiger in das öffentliche Vergaberecht, d.h. vorrangig an jeden praktisch arbeitenden Juristen, insbesondere auch den Anwalt, der einen zügigen Einstieg in die Materie sucht, vor dem Hintergrund der Frage: Wie löse ich meinen Fall? Aufgrund seiner kurzen, prägnanten Darstellung eignet es sich auch hervorragend für Studenten und Referendare. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es sich nicht um ein universitäres Lehrbuch im klassischen Sinne handelt, sondern um eine praktische Einstiegslektüre. Es ist kein Fall-Buch, jedoch ein Buch, welches die Rechtsmaterie ua. anhand von (insgesamt  46) Fällen vermittelt. 

 

Der Textteil gliedert sich in sechs Abschnitte, beginnend mit einer Einführung in das Recht der Auftragsvergabe. Der zweite Abschnitt widmet sich ausführlich der Ausschreibung, der dritte Abschnitt in aller Kürze dem Angebot und der vierte Teil wieder sehr ausführlich der eigentlichen Vergabe, d.h. der Eröffnung des Angebots und dessen Prüfung. Ein fünfter Teil stellt die interkommunale Zusammenarbeit bei der Vergabe dar, speziell das vergabefreie Eigengeschäft („ In-house-Geschäft“). Der sechste und letzte Teil stellt den für die Praxis sehr bedeutsamen Rechtsschutz dar, wobei ein klarer Schwerpunkt auf den Primärrechtsschutz gelegt wurde, der in der Praxis jedoch sehr bedeutsame Sekundärrechtsschutz bei unterschwelligen Vergabeverfahren auf nur drei Seiten nur sehr knapp behandelt wird.

 

Die Darstellung des Stoffs ist, gerade gemessen an der Zielsetzung des Werks, einen schnellen Einstieg zu vermitteln, hervorragend gelungen. Das Vergaberecht ist derart komplex und so stark europarechtlich durchsetzt, dass sich seine Darstellung als äußerst schwierig erweist und Bücher hierzu sich in der Regel als sprachlich schwer verdaulich offenbaren. Hier nicht. In möglichst nicht zu komplexen, kurzen Sätzen und prägnanter Ausdrucksweise wird der Leser an die Hand genommen und Schritt für Schritt in die wesentlichen Verfahrensabläufe eingeführt. Die 1:1 in der Praxis denkbaren und vorkommenden Fälle, welcher sich die vier Autoren bedienen, sind ein probates Mittel zur Darstellung des Stoffs. Dabei handelt es sich stets um knapp geschilderte Fälle, deren Lösungen sich stets direkt anschöießen, so dass ein zeitraubendes, nerviges Hin-und Hergeblättere entfällt. Drei Schwerpunkte setzt das Buch insgesamt, nämlich die Ausschreibung, die Vergabe und den Rechtsschutz. Dies sind auch in der Regel die forensisch relevanten Bereiche. Wer dieses Buch durcharbeitet, kann sich einen guten Überblick über Sinn und Zweck des Vergaberechts, sowie seine grundlegenden Prinzipien und Begrifflichkeiten verschaffen. Einzelne Tipps der Autoren an der einen oder anderen Stelle schärfen zudem Problembewusstsein. Angesichts der Zielsetzung des Buchs darf man sich nicht darüber beklagen, dass ein ausgiebiger rechtswissenschaftlicher Diskurs hier nicht stattfindet. Auch Rechtsprechungsfundstellen sind dünn gesät. Wer mehr will oder tiefer eintauchen möchte (bzw. muss), hat anderes zu Rate zu ziehen. Für den Schnelleinstieg ist das kleine Büchlein jedoch höchst geeignet und sehr empfehlenswert.

 

19.06.2011

 

 

 

Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe, 1. Auflage, Mohr Siebeck 2013


 

In der Reihe der Studien und Beiträge zum Öffentlichen Recht des Hauses Mohr Siebeck erscheint die vorliegende, hochinteressante Schrift von Thomas Schwabenbauer, derzeit Referent im Bayerischen Staatsministeriums des Innern und Mitverfasser des Augsberg/Augsberg/Schwabenbauer „Klausurtraining Verfassungsrecht“ (Nomos). Die aus der Dissertation des Verfassers entstandene Schrift meistert, vor dem Hintergrund der inzwischen globale Ausmaße annehmenden Snowden-Affaire, mit ihrer Veröffentlichung eine Punktlandung, sowohl in zeitlicher als auch thematischer Sicht. Edward Snowden, ehemaliger NSA-Mitarbeiter, gab Informationen über die Abhör- und Ausforschungspraktiken des US-Geheimdienstes Preis und löste damit internationale Verwicklungen aus. Der „große Lauschangriff“ ist vielen, zumindest als Schlagwort ein Begriff. Das Ausspähen des E-Mail-Verkehrs, die Vorratsdatenspeicherung, die Auswertung von Verkehrsüberwachungsdaten, der automatisierte Kfz-Kennzeichenabgleich, Online-Durchsuchungen, SMS-Ortung, Abhörskandale: all das hat sich mittlerweile auch im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit festgesetzt, mit zum Teil stark divergierenden Reaktionen. Warum sollte sich auch jemand über das heimliche Mitlesen von E-Mails aufregen, wenn er zugleich selbst sich via Facebook, Twitter und andere Plattformen freiwillig gläsern macht? Doch die Frage ist, wie weit der „investigative Staat“ gehen muss, kann und darf. Wo sind seine Grenzen, wo beginnt und endet das Sicherheitsbedürfnis, zu welchen Eingriffen – offenen und heimlichen – ist er befugt? Welche Wege und Grenzen kennt die staatliche Wissensgewinnung und zu welchem Preis erfolgt sie? Auf 472 Seiten beleuchtet Schwabenbauer die gesellschaftlich-historischen und rechtlichen Hintergründe zu all diesen Fragen und trifft damit nicht nur den Nerv der Zeit, sondern eröffnet dem Leser die Möglichkeit, sich fundiert und umfassend mit diesem brisanten und für unsere Gesellschaft immens wichtigen Thema auseinanderzusetzen. 

 

Gegliedert ist die Schrift in insgesamt sieben Kapitel. Das erste Kapitel befasst sich mit der Sicherheitsarchitektur und den Ausforschungsbefugnissen und stellt zunächst einmal die zur staatlichen Wissensgewinnung zuständigen Stellen (Nachrichten- und Geheimdienste, Polizei und Strafverfolgungsbehörden) sowie deren Befugnisse im Überblick dar. Dabei werden bereits das  zugrunde liegende staatliche Selbstverständnis und das Sicherheitsbedürfnis  herausgearbeitet. Das zweite Kapitel definiert das für den staatlichen Eingriff maßgebliche Gegengewicht, die Privatheit und wie dieses durch Eingriffe belastet wird. Das Spannungsverhältnis zwischen den streitenden Gütern ist klar herausgearbeitet, ebenso die Abgrenzung von offenen und heimlichen Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen. Der Autor verweist hierbei auf das anthropozentrische Konzept unserer Verfassung, wonach der Mensch nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf, eine Gefahr, die aber gerade der heimlichen Ausforschung grundsätzlich immanent ist. Das dritte und vierte Kapitel widmen sich sodann der heimlichen Informationsgewinnung als Eingriff und erläutern die Eingriffsintensität, insbesondere anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zum Kennzeichenabgleich oder der Rasterfahndung. Das fünfte Kapitel setzt sich mit dem rechtlich sehr komplexen Thema auseinander, wo denn die Grenzen der heimlichen Wissensgenerierung durch den Staat zu suchen sind. Hier trifft man auf die staats- und verfassungsrechtlichen „Klassiker“ wie Bestimmtheitsgebot, Verhältnismäßigkeit, Legitimation, Eignung, Erforderlichkeit, Gesetzesvorbehalt, aber auch auf den Gefahrenbegriff und absolute Eingriffsgrenzen. Der Verfasser hinterfragt hier durchaus kritisch den Status-Quo und die Tendenzen gerade der Rechtsprechung und rückt den unabdingbaren Schutz der Menschenwürde in den Fokus, wenn er u.a. klarstellt, dass es bei allem Sicherheitsbedürfnis dennoch um den Schutz der Menschenwürde geht und nicht um den Schutz der Ausforschungsmethoden, die in immer größerem Maße ausgedehnt wurden. Das sechste Kapitel befasst sich mit dem auf den ersten Blick eher unspannenden Thema der Evaluierung der Ausforschungsmaßnahmen, trifft aber im Kern eines der praktisch wichtigsten Kontrollinstrumente. Der Staat hat die Pflicht, seine Ausforschungsmaßnahmen zu evaluieren und diese auszuwerten, um Zweck- und Sinnhaftigkeit der ihm gegebenen Möglichkeiten – auch und gerade parlamentarisch - zu rechtfertigen. Auch hier fällt die Bilanz eher nüchtern und nachdenklich aus. Kapitel sieben befasst sich schließlich mit den Rechtsschutzmöglichkeiten.

Eine überaus gelungene, spannende und in höchstem Maße informative Lektüre zu einem der wichtigen Themen unserer Zeit. Sehr empfehlenswert.

 

07.11.2013

 

 

Stollmann, Öffentliches Baurecht, 7. Auflage, C.H. Beck 2010

 

Nur ein Jahr nach Erscheinen der Vorauflage erscheint das Buch von Dr. Frank Stollmann bereits in neuer Auflage in der Reihe „Lernbücher Jura“ aus dem Hause Beck. Einen gewichtigen gesetzgeberischen Grund für die schnelle Nachfolge gab es im abgelaufenen Jahr nicht, abgesehen von kleineren, unbedeutenderen Änderungen in der einen oder anderen Landesbauordnung. Nennenswerte Gesetzgebung auf Bundesebene hat es zu diesem Thema eigentlich nicht gegeben. Um so löblicher und begrüßenswerter ist das Anliegen, das Buch für die Studenten und Examenskandidaten auch ohne konkreten Anlass auf den neuesten Stand der Rechtsprechung zu bringen, denn diese ist in den letzten zwölf Monaten natürlich nicht stehen geblieben. Ein Service, den nicht sehr viele Autoren bieten. Die Nachfrage nach dem Buch scheint stetig zu wachsen. Was erwartet einen?

 

Das Buch widmet sich in sechs Teilen dem prüfungsrelevanten Stoff des öffentlichen Baurechts, welches in Studium und Examen ein Dauerbrenner ist (von seiner praktischen Bedeutung mal ganz abgesehen). Teil eins liefert eine kurze Darstellung der rechtlichen Grundlagen des öffentlichen Baurechts. Die Teile zwei und drei wenden sich sodann eingehend der Bauleitplanung zu. Hier geht es um Inhalt und Rechtscharakter der Bauleitpläne, ihre formellen und materiellen Voraussetzungen und das große, besonders klausurrelevante Thema der Abwägungsfehler. Die Teile drei und vier umfassen als weiteres großes Klausurthema die Regelungssystematik der §§29 ff. BauGB (Innenbereich, Außenbereich, privilegierte Vorhaben etc.). Nachdem sich die bisherigen Teile dem Bundesrecht widmeten, wendet sich Teil fünf dem Landesrecht zu und vermittelt die wichtigsten Elemente des Bauordnungsrechts (Baugenehmigung, Vorbescheid, Bauaufsicht). Der sechste und letzte Teil stellt schließlich den Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht dar. So viel zum Inhalt und Bearbeitungstenor des Buchs.

 

Wenn man gelegentlich liest, das Buch sei gut, aber nicht vollständig, so muss man eine solche Aussage doch relativieren und den richtigen Maßstab anlegen. Tut man dies, so wird man erkennen, dass es sich vorliegend nicht um ein Lehrbuch, sondern ein Lernbuch handelt. Ein zweifellos bedeutender Unterschied. Ein Lehrbuch hat nicht mehr und nicht weniger als umfassend zu sein. Ein Lernbuch hat dagegen Akzente zu setzen auf das ausschließlich Prüfungsrelevante. Ein Lernbuch kann immer nur begleitend und ergänzend gesehen werden, alles andere wäre unfair. Das hier ist ein gutes Lernbuch, ein sehr gutes sogar. Der gesamte Prüfungsstoff in allen wichtigen Bereichen des öffentlichen Baurechts wird verständlich dargestellt und erklärt. Die Schwerpunkte Bauleitplanung und bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben sind vom Autor korrekt und studiumsnah gesetzt. Das Buch ist auf Klausurenreife ausgerichtet und beinhaltet daher zahlreiche Klausurtipps und farblich abgesetzte Hinweise. Sehr viele grafische Übersichten, Schaubilder und Diagramme lockern das Textbild auf und erleichtern das Lernen und Verarbeiten des vermittelten Stoffs ausgezeichnet. Am Ende jedes einzelnen der insgesamt 21 Kapitel warten für den Bearbeiter Kontrollfragen zum Eigenstudium. Die Antworten werden im Anhang nachgereicht. Zusätzlich zu den ohnehin im Buch enthaltenen Beispielen, sind zudem 22 größere Beispielsfälle (inklusive Sachverhaltsschilderung und Lösungsskizze) besprochen. Wer bereit ist, die entsprechende Zeit aufzuwenden, kann mit diesem Werk wirklich viel erreichen und sowohl seine Kenntnisse als auch seine Klausurtechnik verbessern. Zahlreiche vertiefende Literaturhinweise ermöglichen den weiteren Einstieg in die Materie. Der Preis liegt mit 26 EUR im heutigen Durchschnitt und muss als studentenfreundlich eingestuft werden. Ein rundum gelungenes Buch, das man jedem Studenten nur empfehlen kann.

 

27.09.2010

 

 

Udsching/Rolfs, Jahrbuch des Sozialrechts Dokumentation für das Jahr 2008, Erich Schmidt Verlag 2009

 

Auch in der 30. Jubiläumsausgabe liefern die beiden Herausgeber ein großartiges Kompendium und Nachschlagewerk ab, welches in der Sammlung des Sozialrechtlers einen festen Platz haben sollte. Unter der Mitarbeit zahlreicher namhafter Autoren – u.a. Ricken, Waschull, Berlit - verschaffen Udsching und Rolfs der Leserschaft mit dem Jahrbuch regelmäßig einen Überblick über den aktuellen Stand der Rechtsprechung und Literatur zu sämtlichen sozialrechtlichen Themengebieten. Das Werk ist zu einer festen Institution in der sozialrechtlichen Literaturlandschaft geworden. Es richtet sich im Grunde an alle, die mit dem Sozialrecht befasst sind – Behörden, Anwälte, Gerichte, sonstige soziale Institutionen und Beratungsstellen.

 

Vom sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren, über das Prozessverfahrensrecht, quer durch sämtliche Teile des SGB, von I bis XII, wird der jeweils aktuelle Stand zusammengetragen. Was sagt das BSG zu Elternzeit oder Krankenversicherung, was zur Unfallversicherung? Wie ist die aktuelle Situation in der Pflegeversicherung und wie urteilen die Gerichte zu Fragen des Kindergeldes? Wie ist der derzeitige Stand zum Thema Hartz-IV und dem Dauerbrenner Kosten der Unterkunft? Welche Entscheidungen ergingen zum Verfahrensrecht oder dem Teilhaberecht für Schwerbehinderte? Welche neuen Tendenzen und Argumentationen zeichnen sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur ab und wie kann man sie nutzbar machen?

 

Das Buch beschränkt sich aber nicht nur auf die sozialrechtliche Rechtsprechung, sondern gibt zudem ein Update auch bezüglich der aktuellen sozialrechtlichen Verwaltungspraxis und Gesetzgebung. Damit jedoch nicht genug: das Werk bietet weiter eine Übersicht über die Rolle des Sozialrechts in der Rechtsprechung anderer Gerichtszweige. Welche sozialrechtlichen Themen waren in welchem Zusammenhang Gegenstand der Rechtsprechung bei EuGH, Bundesverfassungsgericht, BGH, Bundesarbeitsgericht und Bundesfinanzhof? Dies ist von besonderem praktischen Nutzen, da die Wechselwirkungen und Schnittstellen des Sozialrechts mit den anderen Rechtsgebieten herausgearbeitet werden. Auch das Problembewusstsein wird hierdurch geschärft. Das Buch trägt somit zum Verständnis des Sozialrechts insgesamt bei und zeigt, wie es in die Rechtsordnung eingebettet ist und mit dieser interagiert. Ein besonderes Ordnungssystem ist dem Buch dabei nicht anzuerkennen, insbesondere folgt es nicht den SGBs in numerischer Reihenfolge. Das tut der Sache aber keinen Abbruch und führt keineswegs zur Orientierungslosigkeit. Innerhalb der einzelnen Abschnitte, z.B. Krankenversicherung, erfolgt jeweils eine Untergliederung in die aktuelle Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur. Durch diese schlichte Gliederung bleibt das Ganze trotz der Fülle der vermittelten Informationen leicht erfassbar.

 

Natürlich kann man sich auch mit Fachzeitschriften, Newslettern und Internetportalen auf dem Laufenden halten, und sollte dies auch tun. Um dies jedoch auf allen sozialrechtlichen Gebieten zu tun, muss man aber schon einiges an Zeit und Kosten investieren. Das Jahrbuch ist ein sehr nützliches Werkzeug. Besser und umfassender kann man sich in konzentrierter Form keinen Überblick verschaffen. Eine entsprechende Kosten-Nutzen-Berechnung ist bei einem Preis von 148 EUR jedoch dringend angebracht. Nur für Dauernutzer gedacht.

 

22.01.2010

 

 

Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 2. Auflage, Werner Verlag, 2011

 

Der Willenbruch/Wieddekind ist ein Kompaktkommentar, der sämtliche Vorschriften zum Vergaberecht in einem Werk zusammenträgt und – in gewöhnungsbedürftiger, aber logischer Struktur – kommentiert. Auf über 1.800 Seiten sind alle vergaberechtlich relevanten Regelungen (aber auch nur diese) bearbeitet – GWB, VgV, die neue Sektorenverordnung, VOB/A, VOB/B, VOF, VOL/A. Was den Kommentar so ungewöhnlich macht, ist seine Gliederung. Das Buch ist nicht, wie man es von anderen Schriften gewohnt ist, nach Gesetzen und Normen gegliedert, die in fortlaufender Reihenfolge abgearbeitet werden. Es ist keine konventionelle Vollkommentierung zum GWB oder der VgV. Vielmehr erfolgt der Aufbau des Werks in einzelne „Lose“ (eigentlich ein vergaberechtlicher Fachbegriff für einzelne Leistungs- oder Gewerksgruppen). Klingt komplizierter als es ist: man kann die Aufteilung des Buchs in „Lose“ einfach als „Kapitel“ begreifen und schon lichtet sich der Vorhang und man stößt auf einen Aufbau, der Sinn ergibt.

 

So ist das erste „Los“ des Kommentars den „Allgemeinen Grundsätzen“ gewidmet, das zweite „Los“ legt den „Anwendungsbereich“ des Vergaberechts dar. Die „Lose“ 3 – 8 befassen sich in chronologischer Reihenfolge mit dem Ablauf eines Vergabeverfahrens und so weiter. Insgesamt ist der Kommentar in 21 „Lose“ (oder „Kapitel“) untergliedert. Innerhalb dieser einzelnen Abschnitte werden dann alle hierfür einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang kommentiert. So kann man z.B. im „Los 5 – Leistungsbeschreibung und Vergabeunterlagen“ die Kommentierung der Vorschriften §7-9 VOB/A, §7-9 VOL/A, §8,9 und 11 VOL/A EG und §6 VOF finden, während man z.B. die Kommentierung der §§ 107 GWB, §23 VgV oder § 21 VOB/A bei „Los 11 – Nachprüfungsverfahren“ nachschlagen kann. Hat man dieses Prinzip einmal verstanden, ist der Zugang zur Kommentierung ein Leichtes. Auch wenn man als ungeübter Nutzer dieses Buchs am Anfang vielleicht etwas blättern muss. Im Vergleich zur Vorauflage hat man seitens der Herausgeber dieses „Problem“ entschärft und dem Werk eine nach Gesetzen und Paragrafen gegliederte Übersicht vorangestellt. Man kann hier auf einen Blick sehen, in welchem „Los“ die gesuchte Norm besprochen wird. Eine gute Idee, die auch Kritiker überzeugen sollte. Die Konzeption des Werks macht aber nicht nur Sinn, sie lehrt auch zugleich Zusammenhänge und Wechselwirkungen. Wie ist die entsprechende Regelung in der VOB/A, wie in der VOL/A? Querdenken wird gefördert.

 

Über seine individuelle Struktur hinaus gibt es vieles, was an diesem Kommentar gefällt. Sein Bearbeitungstenor umfasst auch das Haushaltsrecht, das Landesvergaberecht (mit einer sehr nützlichen Übersicht über die Regelungsgehalte der Landesvergabegesetze), die Vergabe im Sozialrecht, das EU-Recht und die strafrechtlichen Aspekte, insbesondere unter Blickwinkel der Korruption. Das Autorenteam, das sich aus Anwälten, Richtern,  Vergabepraktikern und Wissenschaftlern rekrutiert, ist hochklassig und erfahren. (Sie werden dem Leser übrigens in Kurzbiografien vorgestellt.) Der Kommentar bietet daher hohe inhaltliche Kompetenz und Zuverlässigkeit. Das Werk richtet sich an Praktiker des Vergaberechts, nicht an Studenten. Es handelt sich um ein höchst professionelles Werk, welches zurecht in neuer Auflage verlegt wird und welches sich als Standardwerk auf Dauer durchsetzen wird, wenn es dies nicht schon bereits getan hat.

 

10.01.2011

 

 

Zimmermann, Das Hartz-IV-Mandat, 1. Auflage, Nomos 2010

 

Das 270 Seiten starke Buch erscheint in der Schriftenreihe NomosAnwalt in erster Auflage und richtet sich ausschließlich an Praktiker und bedient noch dazu ein sehr spezielles Gebiet. Hartz IV ist seit seiner Einführung zum 01.01.2005 in aller Munde und mittlerweile hat die Jugendsprache sogar das Wort „hartzen“ kreiert, nach dem Motto: „Was machst du nach der Schule? - Hartzen gehen.“ Dies zeigt, mit welchem Eindruck und welcher durchschlagenden Härte Hartz IV die Menschen beschäftigt.

 

Unabhängig von rechtspolitischen Erwägungen und gesellschaftlicher Gesinnung, losgelöst von der eigenen Position und den laufenden Debatten zu dem Thema muss in aller Deutlichkeit einmal ausgesprochen werden, dass, wie auch immer, Hartz IV ein geltendes Bundesgesetz ist. Ein besonders fallenreiches und unübersichtliches noch dazu, eines, das wie kaum ein anderes Gesetz im Lande schneller ergänzt oder geändert wird. Den davon betroffenen Menschen kann man daher als Anwender am besten helfen, wenn man dieses Gesetz versteht und ihm zu korrekter Anwendung verhilft. Das nunmehr vorliegende Buch von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht und Arbeitsrecht Ludwig Zimmermann liefert hierzu einen wichtigen Beitrag für alle auf diesem Bereich tätigen Anwälte. Es ist zudem ein Beitrag, den man in der bisherigen Literaturlandschaft so nicht finden konnte.

 

Der Autor beschäftigt sich auf den ersten 200 Seiten des Buchs in 6 Kapiteln mit den Strukturen des SGB II, in welchem das sog. Hartz-IV-Gesetz kodifiziert ist. Das Buch arbeitet wie ein Lehrbuch und versteht sich im Grunde auch wie ein solches, jedoch stets ausgerichtet auf die praktische Anwendung des Gesetzes. Der Verfasser orientiert sich ausschließlich an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des SGB II und sein Verwaltungsverfahren inklusive der Beratungshilfe dargestellt. Es folgen die Leistungsberechtigten und die Leistungen nach dem SGB II, sowie die besonders praxisrelevanten Gebiete der Anrechnung von Einkommen und Vermögen und das Sanktionssystem (Absenkung, Entzug der Leistungen, Sperre) und der Regress. Auf den letzten 70 Seiten wird ausführlich das sozialgerichtliche Verfahren inklusive Eilverfahren und PKH dargestellt. Es folgt ein Anhang mit Schriftsatzmustern nebst Erläuterungen.

 

Es ist ein Praktikerbuch, welches nicht nur die gesetzlichen Grundlagen vermittelt und diese wiederum in den Kontext der geltenden Rechtsprechung einbettet. Der Autor gibt dem Anwender Tipps und Hilfestellungen, sowie Strategien zum erfolgreichen Bewältigen solcher Mandate. Zahlreiche praxisnahe Beispiele unterstützen das Verstehen und schärfen das Problembewusstsein. Hilfreich sind auch die vielen Rechenbeispiele zu den Themen Bedarfsermittlung, Einkommen und Vermögen. Für Anwälte sehr aufschlussreich sind auch die detaillierten Gebührenberechnungen. Ergänzt wird die Printausgabe zudem durch das zugehörige Online-Portal www.hartz4.nomos.de. Hier findet man ergänzend aktuelle Informationen zum Gesetzesstand. Sehr empfehlenswert.

 

31.05.2010

 

 

Zuck, Kommentar zum Zahntechnikrecht im SGB V, 2. Auflage, Nomos 2010

 

Der schmale, kaum 150 Seiten umfassende Kommentar des Stuttgarter Rechtsanwalts Prof. Dr. Rüdiger Zuck erscheint nach 2005 nunmehr in neuer Auflage. Das kleine Büchlein nimmt sich der Vorschriften über die zahntechnischen Leistungen im Gefüge des Sozialgesetzbuchs V – Gesetzliche Krankenversicherung an. Zum Verständnis: Die zahntechnischen Leistungen sind Bestandteil der zahnmedizinischen Versorgung, die der Zahnarzt entweder selbst erbringt oder welche er – im Regelfall – durch ein integriertes oder externes zahntechnisches Labor durchführen lassen kann. Man unterscheidet daher das Zahnarztrecht vom Zahntechnikrecht. Die Zahntechniker selbst wiederum sind Handwerker im Sinne der Handwerksordnung und in Innungen organisiert. Der Patient hat in der Regel keinerlei Vertragsbeziehung zum Zahntechniker, dieser wird vom Zahnarzt beauftragt. Zahnarzt und Zahntechniker unterliegen jedoch bezüglich ihrer Leistungserbringung beide den Regelungen des SGB V.

 

Der vorliegende Kommentar befasst sich ausschließlich mit dem Zahnersatzrecht des SGB V, nicht mit dem Recht der zahnärztlichen Behandlung selbst. Kommentiert werden daher nur – und auch nur, soweit sie hierfür relevant sind - die einschlägigen Vorschriften §27, 55-57, 71, 87-89, 92, 135, 135a, 137 und 140e SGB V. Für den Nutzer bietet dies den Vorzug, dass er die relevanten Vorschriften in einem Band zusammengetragen und im Zusammenhang kommentiert auffindet. Alles zum Thema in einer Hand. Dies fördert zum einen die Übersicht, zum anderen auch das Verständnis, da die Regelungen im Kontext assoziiert werden können. Das Zusammensuchen und Blättern im Großkommentar entfällt. Man findet hier viele Details, die man in einem Standard-Kommentar zum SGB V vergebens suchen wird. Klar, es  handelt sich hier um einen Spezialkommentar, der nur eine recht überschaubare Zielgruppe anspricht. Diese ist hier aber gut beraten.

 

Ob medizinisch notwendige Versorgung, Festzuschuss, Bundesmantelvertrag oder Richtlinien zum Zahnersatz: Der Kommentar bietet in konzentrierter Form alles, was der Rechtsanwender zum Thema Zahntechnik wissen muss. Am umfangreichsten fällt mit ca. 20 Seiten die Kommentierung zu §57 SGB V aus, d.h. der Vorschrift, welche die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Zahnärzten und Zahntechnikern regelt. Es ist quasi das Herzstück des Kommentars. Hier werden auch in gebotener Kürze die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten – Krankenkassen, Patient, Zahnarzt und Zahntechniker - dargestellt. Soweit es von Relevanz ist, wie bei der Kommentierung zur Qualitätssicherung §135, 135a und 137 SGB V, bleiben aber auch die zivilrechtlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts nicht gänzlich außen vor. Nicht Gegenstand der Kommentierung ist zudem die GOZ – Gebührenordnung Zahnärzte. Auf diese wird nur kurz im Rahmen der Kommentierung zu §87 SGB V verwiesen. Insoweit wird im Bedarfsfall weitere Spezialliteratur zu Rate gezogen werden müssen.

 

Das Werk liefert schließlich, insbesondere in seinen umfangreichen Fußnoten, sehr viele Verweise und Fundstellen, Zitate und Hinweise auf Richtlinien, Rechtsprechung und vertiefende Literaturhinweise. Zum Zahntechnikrecht gibt es in Deutschland nichts Vergleichbares. Nur für Spezialisten.

 

26.07.2010